: Argentinier verlieren Geduld
In Argentinien ist für 30 Tage der Ausnahmezustand verhängt. Bei Unruhen und Plünderungen von Supermärkten gab es 16 Tote. Wirtschaftsminister Domingo Cavallo erklärt seinen Rücktritt
BUENOS AIRES taz ■ Ausnahmezustand auf der Plaza de Mayo im Zentrum von Buenos Aires. Am Donnerstag lösten immer wieder schwer bewaffnete Einheiten der Polizei Demonstrationen von Studenten und aufgebrachten Bürgern gegen die Sparpolitik der Regierung auf. Die Polizei versuchte, den in der Nacht zuvor verhängten Ausnahmezustand durchzusetzen, und setzte Schlagstöcke, Gummigeschosse und Tränengas ein. Zuvor hatten am Mittwoch tausende von Arbeitslosen im ganzen Land Supermärkte, Kioske und andere Geschäfte geplündert. Insgesamt kammen bis Redaktionsschluss bei den Ausschreitungen 16 Menschen ums Leben. 1.200 Demonstranten wurden verhaftet.
Ausnahmezustand auch in der Politik. In den frühen Morgenstunden am Donnerstag war das gesamte Kabinett von Präsident Fernando de la Rúa zurückgetreten inklusive Wirtschaftsminister Domingo Cavallo. Der Wirtschaftsminister hatte mit seinem rigorosen Sparkurs den Rückhalt seiner eigenen Kabinettskollegen verloren und war zur Zielscheibe der politischen Opposition, der Gewerkschaften und selbst einiger Unternehmerverbände geworden. Die anderen Minister wollten mit ihrem Rückzug de la Rúa eine Neubildung der Regierung erleichtern. Dieser will jetzt auch die oppositionelle Justizialistische Partei der Peronisten mit einbinden. Doch die Peronisten wissen, dass bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage die Regierungsbeteiligung politischen Selbstmord bedeuten könnte, und warten noch ab. Sie fordern einen beherzten Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, dabei war es der Peronist Carlos Menem, der gemeinsam mit Cavallo im Jahr 1991 die neoliberalen Reformen in Argentinien mit der Bindung des argentinischen Peso an den US-Dollar begonnen hatte.
Die Regierung hat die Unterstützung ihrer eigenen Wähler verloren. In der Nacht zum Donnerstag versammelten sich tausende von Menschen vor dem Nationalkongress, um gegen die Sparpolitik und den Ausnahmezustand zu demonstrieren. Bis weit nach Mitternacht klopften sie sich mit Löffeln und Töpfen ihre Wut über die ausweglose Situation im Land vom Leib, bis auch sie von der Polizei vertrieben wurden. INGO MALCHER
brennpunkt SEITE 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen