: Aus Verteidiger mach Staatsrat
So schnell trifft man sich wieder. Am Morgen hat Walter Wellinghausen Innensenator Ronald Schill noch verteidigt, am Nachmittag ernennt ihn sein Mandant zu seinem neuen Staatsrat in der Innenbehörde und damit zu seiner rechten Hand. „Ich weiß, dass wir gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten werden“, sagt Schill während der offiziellen Feierstunde, und wer könnte davon überzeugter sein als ein Angeklagter, dessen Verteidiger soeben einen Freispruch für ihn erreicht hat?
Wenn einer kommt, muss zuvor einer gehen, und dem werden zum Abschied noch diverse Kränze geflochten. „Dirk Reimers verkörperte das, was für mich Beamtentum bedeutet“, sagt Schill dem scheidenden SPD-Staatsrat nach, und er meint damit, dass Reimers „alle Herausforderungen immer glänzend gemeistert hat und vor allem immer loyal war“, – eine Rede-Passage, bei der der frühere Innensenator und jetzige HSV-Präsident Werner Hackmann, der zu den knapp 300 ZuhörerInnen gehört, etwas angestrengt auf seine Fußspitzen schaut. Hackmann war im Zug des Polizeiskandals 1994 schließlich zurückgetreten, weil er sich nicht zuletzt von seinem damaligen Staatsrat Reimers und dessen unverbrüchlicher Treue zum Polizeiapparat düpiert sah. Reimers verlor daraufhin ebenfalls seinen Job als Innen-Staatsrat, wechselte in die Finanzbehörde und wurde erst im Mai von Senator Olaf Scholz wieder in sein altes Amt eingesetzt.
Schill spricht in seiner Laudatio denn auch von „öffentlich behaupteten Übergriffen von Polizisten“ und „unberechtigter Kritik an Reimers“, als er die Zeit des Polizeiskandals Revue passieren lässt. Und Reimers selbst fühlt sich auch noch einmal bemüßigt, die Weste der Polizei weiß zu waschen: „Die Polizei war nicht rassistisch, und sie ist es auch heute nicht.“ In dieser Runde, unter den hohen Polizeidienstgraden, den Fraktionschefs von Schill-Partei, CDU und FDP, den CDU-Bürgerschaftsfalken Karl-Heinz Ehlers und Joachim Lenders – unter all diesen versammelten Männern ist ihm der Beifall für so einen Satz sicher.
Danach gibt es Sekt, und das Polizeiorchester spielt „My Way“. Peter Ahrens
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