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Ein Blick auf den Blick

Die Galerie Markus Richter zeigt mit „Eingrenzungen – Enclosured“ die in Barcelona anhand des Mies-van-der-Rohe-Pavillons realisierten Architekturfotografien von Thomas Florschuetz, im Hamburger Bahnhof sind seine „Blumenstücke“ zu sehen

Florschuetz konzentriert sich auf das Dekorative der Oberfläche

von MICHAEL KASISKE

Als sei der Betrachter ein heimlicher Spanner im Schutz einer Gardine – so wirkt der Blick aus dem Fenster des Museo di Capodimonte in Neapel, den Thomas Florschuetz fotografisch gebannt hat. Erst die weiteren Bilder seiner in der Galerie Markus Richter ausgestellten Arbeit „Eingrenzungen – Enclosured“ zeigen, dass der Künstler vielmehr die Wechselwirkung von Innen- und Außenräumen im Auge hat. Parallel dazu ist im Hamburger Bahnhof die von üppigen Blüten bestimmte Florschuetz-Arbeit „Ricochet – Blumenstücke“ zu sehen. „Eingrenzungen“ widmet sich dem Raum. Hauptgegenstand ist hier der Deutsche Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe, der 1929 anlässlich der Weltausstellung in Barcelona errichtet wurde. Zunächst unmittelbar nach Ausstellungsende abgerissen, wurde das legendäre Bauwerk Mitte der 1980er-Jahre rekonstruiert als Beleg für die gebaute These vom fließenden Raum.

Nun ist Florschuetz durch Detailaufnahmen seines eigenen Körpers bekannt geworden; und der Pavillon besitzt eine architektonische Präsenz, die sich sowohl physisch als auch fotografisch fortschreiben lässt. Doch Florschuetz läuft nicht Gefahr, mit den Mies’schen Erben um Bildrechte feilschen zu müssen. Zum einen ist der Pavillon lediglich ein, wenngleich das umfänglichste Beispiel für die Visualität von Raum als Phänomen. Zum anderen hat Florschuetz dort zielsicher den Fokus auf periphere Situationen gerichtet, in denen sich das visuelle Raumkontinuum deutlich in ein reales Innen und Außen scheidet.

Mal sind es Spiegelungen, die die physische Fassung der fließenden Räume markieren; mal ist das trennende Glas nur noch als Strich an der von innen nach außen durchlaufenden Wand zu erkennen; mal entlarvt der Wechsel in der Tiefenschärfe, durch die Vordergrund und Hintergrund visuell unterschiedlich bewertet werden, die Besonderheit der Architektur als ein rein optisches Ereignis. Mit diesen sublimen Kennzeichnungen der Raumgrenzen erfüllt Florschuetz das Verständnis seiner Arbeit als „Blick auf den Blick“.

Im Hamburger Bahnhof lässt die Präsentation der Verfeinerung allerdings keine Chance. Florschuetz’ Arbeit „Ricochet – Blumenstücke“ wird neben dem Spiel mit unterschiedlichen Tiefenschärfen vor allem durch minimale Verschiebungen des Bildausschnittes bestimmt. Das Motiv sind Orchideen, die formal den durch die Nahsicht unmittelbar erforschten Körperbildern ähneln. Dabei konzentriert sich Thomas Florschuetz jedoch auf das schlicht Dekorative der Oberfläche. Trotz der Überhöhung der natürlichen Erscheinung durch die großen Formate erscheint die Leichtigkeit der Blütenblätter dabei gefährlich beliebig. Allein die Präsentation als „Iris-Prints“ rettet die Bilder vor der Wahrnehmung als hochwertiges Geschenkpapier. Denn der aufwändige Druck auf Büttenpapier macht die fotografische Präzision zugunsten einer malerischen Auflösung weicher.

Bis 26. Januar 2002, Di. – Sa. 12 – 19 Uhr, Galerie Markus Richter, Schröderstr. 13; bis 27. Januar 2002, Di. – Fr. 10 – 18, Do. 10 – 22 Uhr, Sa./So. 11 – 18 Uhr, Hamburger Bahnhof, Invalidenstraße

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