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Im Fernsehen liegt die Zukunft

Bertelsmann beherrscht jetzt endgültig die RTL-Group – und damit 23 TV-Sender in neun europäischen Ländern

Am Anfang der Bertelsmann-Geschichte standen bekanntlich Bibeln und Gesangbücher – jetzt regiert endgültig das Fernsehen: Deutschlands größter Medienkonzern hat die britische Pearson-Gruppe für rund 1,5 Milliarden Euro aus der RTL-Group herausgekauft. 89 Prozent der Anteile an Europas größter Senderholding (23 TV- und 17 Radiostationen in neun Ländern) gehören nun Bertelsmann.

Die restlichen elf Prozent sollen auch noch her: Sie werden derzeit frei an der Börse gehandelt, doch „Bertelsmann hat mit dem RTL-Vorstand Verhandlungen aufgenommen mit dem Ziel, auch die Anteile der freien Aktionäre [. . .] zu übernehmen“, heisst es in einer Konzernmitteilung. Mit dem hausgemachten Weihnachtsgeschenk gelingt Bertelsmann außerdem das Kunststück, die schlechte Konjunktur im Fernsehgeschäft doch noch Gewinn bringend zu nutzen: Denn dadurch, dass das Geschäftsergebnis der RTL-Group – inklusive ihres Hauptsenders RTL in Deutschland – nach vier Gewinnwarnungen 2001 heftig nach unten zeigt, musste Bertelsmann für die Aktien in Pearson-Besitz gar nicht so tief in die Tasche greifen wie zunächst befürchtet.

Für Pearson begann der langsame Abschied vom TV-Geschäft dagegen schon im vergangenen Februar, als Bertelsmann mit dem dritten RTL-Group-Eigner GBL (Groupe Bruxelles Lambert) handelseinig wurde und dessen 30-Prozent-Anteil an der TV-Holding übernahm: Der Konzern, der zwar deutlich länger als Bertelsmann im Fernsehgeschäft aktiv ist, war endgültig in die Position des Juniorpartners gedrängt worden. Außerdem hatte Pearson-Chefin Marjorie Scardino – die einzige Frau an der Spitze eines weltweit führenden Medienunternehmens – langfristig den Verlagsbereich als Kerngeschäft des Unternehmens definiert. Hier ist Pearson internationaler Marktführer im Education-Bereich (Lehr- und Fachbücher), daneben gehören dem Konzern u. a. die Financial-Times-Group (Financial Times, Les Echos) und die Buchverlagsgruppe Penguin.

Die vollständige Übernahme der RTL-Group ist nur ein – allerdings überdeutlicher – Hinweis darauf, dass Bertelsmann in Zeiten unsicherer Onlineaussichten auf klassisches Free-TV setzt. Neben den Verhandlungen mit Pearson tauchen seit längerer Zeit immer wieder Hinweise auf Gespräche des Gütersloher Konzerns mit dem Fernsehproduktionsmulti Endemol („Traumhochzeit“, „Big Brother“) auf. Das ursprünglich holländische Unternehmen gehört derzeit dem spanischen Telekommunikationsriesen Telefonica. Hapern soll es hier allein noch bei der Summe, die Telefonica verlangt. Denn anders als Kirch oder der angeschlagene Rechtehändler Kinowelt (siehe taz vom 20.12.) gelten Bertelsmänner als eiskalte Rechner, die niemals über Preis einkaufen. Und trotz Gewinnwarnung in der TV-Sparte hat Bertelsmann noch was in der Kriegskasse – der Pearson-Deal wird gegen Bares abgewickelt.

Möglicherweise steht sogar noch ein radikalerer Konzernzuschnitt auf die Bereiche Fernsehen, Online und das traditionelle Buchgeschäft bei Bertelsmann ins Haus: Vorstandschef Thomas Middelhoff spielte im Sommer bereits – etwas ungeschickt – ein mögliches Rückzugsszenario aus der Zeitungs- und Zeitschriftentochter Gruner + Jahr durch.

Doch bei all dem ist und bleibt Bertelsmann ein christliches Haus: Bekannt gegeben wurde die frohe Botschaft vom Pearson-Deal natürlich am Heiligen Abend. STG

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