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Richter lässt Handymasten abschalten

Nach viertem Leukämiefall an einer Schule innerhalb eines Jahres entspricht spanisches Gericht dem Antrag der Eltern

MADRID taz ■ Richter José Alberto Rodríguez fackelte nicht lange. Am Mittwoch wurde ein neuer Krebsfall in einer Grundschule im nordspanischen Valladolid entdeckt, und noch am Nachmittag entsprach der Richter dem Antrag einer Elterninitiative und ließ die benachbarten Mobilfunk-Sendemasten stilllegen.

Dies war bereits das vierte Kind, das dort innerhalb eines Jahres erkrankte: Drei Kinder haben Leukämie und eines Lymphknotenkrebs. Der Richter gab deshalb dem Antrag der Eltern auf „größtmöglichste Vorsichtsmaßnahmen“ statt. Rechtlich sicherte sich Richter Rodríguez mit der Bauordnung ab: Die auf 6 Masten verteilten 36 Funksender mit einer Gesamtleistung von 65.000 Watt stellten „einen industriellen Komplex“ dar, der daher nicht wie geschehen auf einem Wohnhaus errichtet werden dürfe.

Der Sprecher der Elterninitiative, Alfonso Carvajal, ist zufrieden. „Endlich hat jemand unsere Argumente gehört.“ Der Medizinprofessor arbeitet in einer interdisziplinären Kommission an der Hochschule in Valladolid, die seit dem ersten Krebsfall die Schließung der Sender forderte.

Doch die Stadtverwaltung, ließ lieber ein Dossier erstellen, welches die Harmlosigkeit der Antennen belegen soll. Auch an die Mobilfunkgesellschaften kommen die Initiative „Antennen raus“ nicht heran: Denn die Anlagen werden von Firmen betrieben, die sie an die Telefongesellschaften weitervermieten.

Der Elterninitiative ist klar, dass sich die Vermutung, die Sendemasten lösten Leukämie aus, nur schwer erhärten lässt. Doch das Vorsorgeprinzip sollte den Betrieb solcher Anlagen neben eine Schule auschließen, argumentiert Carvajal. Dabei verweist er auf verschiedene Studien, wie den Stewart-Bericht aus Großbritannien. Diese kam zu dem Schluss, dass weitere Forschung nötig sei, da genügend Verdachtsmomente für ein Gesundheitsrisiko durch Mobilfunkwellen vorlägen. Im Juni dieses Jahres nahm auch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), die der Weltgesundheitorganisation (WHO) untersteht, elektromagnetische Strahlung in die Liste der Krebs erzeugenden Faktoren auf.

Die Antennenbetreiber in Valladolid freilich sehen das anders. Sie berufen sich auf die viel zu kurze Zeit zwischen Inbetriebnahme der Anlage im Februar 2000 und den Erkrankungen. Carvajal hält dagegen: Studien aus Nagasaki hätten ergeben, dass gerade Leukämie bei Kindern sehr schnell entstehen kann. REINER WANDLER

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