: Israels Regierung auf der Kippe
An den Differenzen zwischen Premierminister Ariel Scharon und seinem Außenminister Simon Peres über den Friedensplan mit den Palästinensern könnte die große Koalition zerbrechen. Israelisch-palästinensisches Friedensforum in Jerusalem gegründet
aus Jerusalem ANNE PONGER
Israels Ministerpräsident Ariel Scharon hält sich weiter gegenüber unterschiedlichen Lagern in seiner großen Koalition bedeckt, um die „Regierung nationaler Einheit“ nicht zu sprengen. Was er derzeit selbst möchte, weiß keiner, selbst in den unterschiedlichen Protestgruppen nicht. Scharon erklärte sich mit den Kontakten seine Außenministers Simon Peres zu palästinensischen Vertretern wohl einverstanden, kritisierte jedoch ihre Inhalte. „Ein Plan voller Probleme“, wurde er gestern zitiert. Morgen wird Benny Elon, rechtsradikaler Vertreter in der Koalition, in der Regierung gegen Pläne für einen Palästinenserstaat protestieren.
Scharons Position gegenüber Likud-Aktivisten war auch gestern zur Frage israelisch-palästinensischer Verhandlungen unverrückbar dieselbe geblieben: Solange es Terror gibt, finden keine politischen Gespräche statt. Die Gespräche von Peres mit Palästinenservertretern sollen lediglich eine Waffenstillstand herbeiführen. Sollten Gespräche über eine politische Lösung erneuert werden, würde Scharon sie persönlich leiten, heißt es offiziell.
Tatsache ist, dass Außenminister Peres aufgrund von Sonderregelungen mit Scharon über eine politische Lösung auch immer „unter Feuer“ verhandelt hat, egal wie Terrorattacken, Schusswechsel, Anschläge auf Siedler und Besatzungssoldaten im Einzelnen jeweils interpretiert wurden. Anders hätte Scharon seine Koalition nicht mit dem fortgesetzten Verbleiben der Arbeitspartei schmücken können. Nur Waffenstillstandserfolge und Friedenshoffnungen konnten den Verbleib von Peres in Scharons Koalition rechtfertigen.
Der immer mehr in die Schlagzeilen geratende israelisch-palästinensische Friedensplan wird derzeit vom Friedenslager in Israel unter dem Schlagwort „neuer Interimsplan“ gehandelt. Die Palästinenser mögen diese Bezeichnung nicht und sprechen daher lieber vom „Endstatus-Plan in Stufen“. Palästinenserchef Jassir Arafat hat offenbar grünes Licht für Verhandlungen gegeben: Er ließ das gesamte Meinungsspektrum zu, indem er Informationsminister Abed-Rabbo in die Verhandlungen einbezog und überdies Planungsminister Nabil Schaath und Arafat-Stellvertreter Abu Masen als Kritiker delegierte.
Israels Außenminister Schimon Peres wendet sich absichtlich von der offiziellen Politik ab, mit den Palästinensern nur über eine Waffenruhe zu verhandeln.
Das israelisch-palästinensche Friedenslager demonstriert mit palästinensichen Friedensbewegten nun erstmals jeden Tag dringlicher für Verhandlungen über einen palästinenesichen Staat. Gestern wurde im „New Imperial Hotel“ in der Jerusalemer Altstadt ein israelisch-palästinensiches Friedenszentrum gegründet.
Das von der israelischen Organisation „Peace Now“ mit palästinensischen Gleichgesinnten gegründete Zentrum will vor allem über den bisherigen Verlauf des Friedensprozesses informieren, dabei propagandistische Illusionen ausräumen und Unterschriften für eine friedliche Aussöhnung sammeln. Die Kooperation zwischen israelischen und palästinensischen Friedensgruppen ist ein Novum. Die israelischen Initiativen hatten Anfragen palästinensischer Partner mehr als ein Jahr lang immer nur abschlägig beantwortet und geben nun erstmals eine positive Rückmeldung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen