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Nepp wird verboten

Verbraucherschutz ab 2002 verschärft: Verkäufer und Hersteller haften für Inhalt der Werbung. Dreiliterauto darf nicht fünf Liter verbrauchen

von CHRISTIAN RATH

Wer auf falsche Aussagen in der Werbung hereinfällt, kann künftig das gekaufte Produkt zurückgeben. Das ist eine Folge der Novellierung des Bürgerlichen Gesetzbuches, die zum Jahreswechsel in Kraft tritt. Einzelhändler müssen dabei auch für die Werbung des Produktherstellers gerade stehen.

Bisher spielte die Herstellerwerbung bei der Gewährleistung keine große Rolle. Die Werbespots oder Annoncen wurden nur als Lockmittel für die Verkaufsverhandlungen angesehen. Verlassen konnte sich der Kunde nur auf das, was ihm der Verkäufer persönlich zugesichert hatte.

Doch mit der Realität hatte dies nicht mehr viel gemein. Das Verkaufsgespräch von Mensch zu Mensch ist die Ausnahme geworden, der Kunde geht vielmehr ins Kaufhaus oder in den Supermarkt. Dort musste er entweder die Verpackungen studieren oder hoffen, dass die Versprechungen der Werbung auch stimmen.

Künftig muss die Werbung jedoch ehrlicher werden. Wenn es um konkrete Sachaussagen geht, dann müssen diese stimmen. Ein Fahrzeug, das als „3-Liter-Auto“ beworben wird, darf dann nicht 4 oder 5 Liter Sprit verbrauchen. „Eine der leisesten Waschmaschinen“ darf nicht lauter sein als der Durchschnitt. War die Werbung falsch, kann der Kunde den Kauf rückgängig machen, den Kaufpreis mindern oder sogar Schadenersatz fordern, etwa wenn ein Handwerksgerät die in der Werbung angepriesenem Fähigkeiten gar nicht aufweist und deshalb Schäden entstanden sind.

Auf die Händler könnte hier einiges an Mehrkosten und Verwaltungsaufwand zukommen. Doch sie können vollständig bei ihren Lieferanten Rückgriff nehmen. Der Hersteller wird künftig also darauf achten, seine Werbung realistisch zu gestalten. Keine Gewährleistung gibt es allerdings für „reißerische Anpreisungen allgemeiner Art“. Wer die „bequemsten Schuhe der Welt“ verspricht, muss sich nicht vorhalten lassen, man habe jetzt anderswo noch bequemere Schuhe gefunden. Übertreibungen und bloße Imagewerbung wird es also auch künftig geben. Aber immer wenn in der Werbung eine Sachaussage gemacht wird, soll sich der Kunde darauf verlassen können.

„Die Werbetexter müssen bald mit Gesetzbüchern unter beiden Armen herumlaufen“, klagt deshalb Volker Nickel vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft, „für die Kreativität ist das natürlich wenig hilfreich.“ Dennoch glaubt er, dass sich für die Werbeagenturen und ihre Auftraggeber nur wenig ändert: „Irreführende Werbung war doch bisher auch schon verboten.“ Dagegen konnten bisher aber nur Mitbewerber vorgehen, nicht die Kunden.

Die strengeren Anforderungen an die Werbung sind keine Erfindung von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, sondern gehen auf eine EU-Richtlinie zurück, die zum Jahreswechsel umzusetzen war. Diesselbe EU-Richtlinie hatte auch die Verlängerung der Garantiefrist auf zwei Jahre gefordert. Innenpolitisch gab es daher um das neue Werbekonzept nur wenig Streit.

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