: Euromanie
Hamburger lassen D-Mark los. Warteschlangen in Banken, kaum Probleme im Handel. Umsatzrekorde an Geldautomaten ■ Von Sven-Michael Veit
Von Gelassenheit keine Spur. Vor fast allen Hamburger Banken standen gestern bereits am Vormittag Menschen Schlange, als ob es in den Geldinstituten was umsonst gäbe. Das Objekt ihrer Begierde: Der Euro, käuflich zu erwerben mit einstmals angeblich so harter D-Mark. Dabei hatte bereits der Neujahrstag an Hamburger Geldautomaten für einen Umsatzrekord gesorgt: Etwa 30 Millionen Euro spuckte allein die Haspa aus, gut sechs Millionen Euro die Vereins- und Westbank. Insgesamt hatten sich die HamburgerInnen bereits auf diese Weise mit mindestens 70 Millionen Euro eingedeckt.
Welche Bargeldbestände darüber hinaus eigens für die Umtauschhysterie am ersten Werktag des ersten Euro-Jahres gehortet worden waren, war gestern abend noch unklar. Vorsichtige Schätzungen gingen von zweistelligen Markmillionenbeträgen aus, die in die neue Währung konvertiert wurden. „Die Kunden wollen mit der D-Mark abschließen und das neue Geld haben“, konstatierte Haspa-Sprecher Ulrich Sommerfeld: „Die Mark endet nicht im Handel, sondern in der Bank.“
Die größte deutsche Sparkasse musste am meisten unter der Euromanie leiden: Dreireihige Menschenschlangen in den Filialen bis auf die Straßen und Wartezeiten von mehr als einer halben Stunde waren keine Seltenheit, gelegentlich spielten sich ergreifende Szenen ab (siehe Bericht Seite 20).
Durchaus zur Erleichterung des Einzelhandels, der für Wochen und Monate ein Schicksal als „Wechselstube der Nation“ befürchet hatte. Doch davon war gestern wenig zu spüren, so Ulf Kalkmann vom Hamburger Einzelhandelsverband. Überraschend viele Kunden hätten bereits mit Euro gezahlt, das Verständnis der Kunden bei ungewohnt langen Wechselvorgängen sei allseits sehr hoch gewesen. Das bestätigt auch Kalkmanns Kieler Kollege Dierk Böckenholt für Schleswig-Holstein. Nach seiner Einschätzung wird die Mark „schon in wenigen Tagen überwiegend verschwunden sein“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen