: schatzschatzschatz
■ Das Roselius-Haus hortet Silbersachen aus dem 14. Jahrhundert, die die „Schwarzhäupter“ aus Riga mitgebracht hatten
BesucherInnen aus Bremen werden verdutzt den Kopf schütteln: Einmal angekommen in Riga, läuft man der Heimatstadt immer wieder über den Weg. Beim Roland oder in den Wallanlagen. Bei den Stadtmusikanten (ein Geschenk der Partnerstadt). Und hie und da taucht auch ein Bremer Wappen an den Häusern auf, fährt ein Bremer Müllwagen durch die lettische Hauptstadt.
Aber für den legendären Silberschatz der Compagnie der Schwarzen Häupter zu Riga hätten Kunstliebhaber auch daheim bleiben können. Der uralte Tischschmuck der – zumeist deutschen – Kaufmannschaft im fernen Baltikum liegt nämlich in Bremen – zumindest der größere Teil davon. Nachdem sich Hitler 1939 mit der Aktion „Heim ins Reich“ sowohl Deutschbalten als auch den Schatz holte. Und nachdem die Compagnie 1980 ihren Sitz in den Schütting verlegte, ist das Prunkgeschirr im Roselius Haus zu sehen.
Ganz glücklich, heißt es vor Ort in Riga, sei man mit der Schatzteilung nicht. Zur 800-Jahr-Feier der Stadt hatte Ojars Sparitis vom Schwarzhäupterhaus in Riga vorsichtig angefragt, ob die 34 Bremer Teile des Schatzes nicht vielleicht per Leihgabe zusammen mit dem lettischen Silber gezeigt werden könne. Konnte er aber nicht. Dem Besitzer, der „Compagnie der Schwarzen Häupter aus Riga“, wie sich die Verbindung inzwischen in Deutschland nennt, war die Verschickung zu heikel.
Wolf-Dieter Hoheisel ist Vorsitzender des alten Männerbundes, war lange Jahre selbst im Museumsgeschäft und kriegt deshalb sofort Sorgenfalten, wenn er an derlei Leihgaben denkt. Zumal bei wegen NS-Verfolgung verlagerten Kunstgütern und möglichen Rückforderungen. Schon 1991 habe man die „Sicherheit“ für eine gemeinsamen Ausstellung prüfen lassen – mit negativem Ergebnis. Zum Stadtjubiläum vor sechs Monaten waren die Chancen kaum besser. Auch für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Schwarzhäupterhauses in Riga gab es kein Geld.
Hoheisel, „Ältermann“ der Compagnie, fürchtet immer noch, dass der lettische Staat den Silberschatz womöglich einfach behalten könnte. „Dafür müssen wir erst ein sicheres Gefühl kriegen.“ Und bis dahin bleibt der Schatz im Roselius-Haus.
Nur ein Mal im Jahr werden die Prunkstücke aus der Vitrine geholt. Jeden Herbst. Dann ist Brüdermahl der 20 verbliebenen Schwarzhäupter. Allein dafür kommt der „Rigische Willkomm“ auf den Tisch, ein reich geschmückter Riesenhumpen, ebenso die Sankt-Georgs-Skultur und der Mauritius, dessen schwarzes Haupt auf allen Schatzstücken der Compagnie prangt.
„Pflege und Förderung alter Traditionen“ verlangt die Satzung von den inzwischen weit versprengten und alt gewordenen Mitglieder. Heute beschränkt sich das in erster Linie auf das jährliche Mahl. Bei dem ab und an neue Silberstücke gespendet, und genauso selten auch neue Mitglieder aufgenommen werden. So soll zwar langfristig der Erhalt der Verbindung gesichert sein, aber man laufe nicht Gefahr, durch inflationäre Neumitgliedschaften die Zusammengehörigkeit zu sprengen, so Hoheisel.
Wäre die Gruppe der ehemaligen Kaufleute größer und ihre Mahlzeiten häufiger, das Festgeschirr hätte sich über die Jahre nicht so gut gehalten, glaubt Rainer Stamm, Direktor des Roselius-Hauses. So wurde das kostbare Tafelsilber aus Barock, Rokoko und späteren Zeiten praktisch kaum benutzt und ist entsprechend gut erhalten.
Darüber hinaus spielten die Schwarzhäupter damals aber noch eine große Rolle in der Kulturszene. Sie organisierten in Riga Ritterspiele, Faschingsbälle, Stadtfeste, spendeten den Kirchen Bilder und der Stadt Kanonen für den Park. Die fremden Kaufleute „machten das Gesicht der Stadt erst richtig schön“, sagt Museumsdirektor Ojars Sparitis. Und schufen sich in der Ferne damit ein bisschen Heimat und Einfluss. Denn Geld hatten die Schwarzhäupter, die damals noch unverheiratet sein mussten, genug.
Zurück zu Riga. Ojars Sparitis will den Silberschatz gar nicht zurück. Jedenfalls nicht für immer. „Rechtlich ist das klar geregelt“, sagt er, denn durch den Beschluss des lettischen Staates durften die Deutschbalten ein Teil „ihrer“ Kulturgüter aus Kirchen und Museen mitnehmen. Nur eine gemeinsame Ausstellung, von der träumt der Kunsthistoriker immer noch. Immerhin konnte er im November den Bremer Schatzteil schon mal „mit eigenen Händern anfassen – das war wirklich ein Erlebnis.“
Dorothee Krumpipe
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