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„Es geht nicht um Demut“

SPD-Vizechef Andreas Matthae hat den Entwurf der Präambel des Koalitionsvertrags verfasst, in der sich die PDS von der Politik der SED distanzieren soll. Er hält eine historische Bewertung dieser Art für „eine Selbstverständlichkeit“

taz: Herr Matthae, müssen Sie Ihren künftigen Koalitionspartner noch auf die Demokratie einschwören?

Andreas Matthae: Nein, das glaube ich nicht.

Was soll dann eine Passage in der Präambel zum Koalitionsvertrag, in der sich die PDS von der Politik der SED distanziert?

Es geht darum, dass sich die historische Sondersituation Berlins und auch das Verhältnis der beiden Parteien als Bewertung in der Präambel wiederfinden soll.

Warum ist das nötig? Die PDS-Spitze hat bereits die Zwangsvereinigung von SPD und KPD und den Mauerbau verurteilt. Entschuldigen wird sich die Partei auch jetzt wohl nicht.

In Berlin ist diese Konstellation zwischen SPD und PDS wegen der historischen Belastung etwas ganz besonderes. Deshalb gibt es in der SPD und auch in der Stadt die Erwartung, dass man in der Präambel der Koalitionsvereinbarung zu dieser besonderen Konstellation Stellung nehmen soll. Die bewegt die Leute noch immer emotional. Das kann man nicht wegschieben.

Muss die PDS jetzt noch einmal Demut zeigen, bevor sie in Westberlin mitregieren darf?

Nein, es geht nicht um Demut, sondern darum, historische Gegebenheiten zu bewerten. Die PDS hat mit ihrer Erklärung von Frau Zimmer im vergangenen Jahr gezeigt, dass es eine politische Bewertung dieser Historie gibt. Wir wollen, dass das noch einmal in der Präambel aufgeschrieben wird.

Hat die SPD diese Passage eingefordert?

Wir haben das nicht explizit verlangt, sondern für uns als Sozialdemokraten ist das eine Selbstverständlichkeit. Von der PDS haben wir bislang nichts Gegenteiliges gehört.

Sie haben den SPD-Entwurf geschrieben. Was steht drin?

Die genauen Formulierungen will ich jetzt nicht nennen. Es geht um die Distanzierung von Menschenrechtsverletzungen, von der Zwangsvereinigung, vom Vorgehen beim Aufstand im Juni 1953, um die Distanzierung vom Mauerbau und natürlich darum, dass wir in der Zukunft gegen jede demokratiefeindliche, dikatorische Tendenz vorgehen wollen. Die Formulierungen von der PDS-Spitze und auch die Präambel von Rot-Rot in Meckenburg-Vorpommern haben uns beim Verfassen geholfen.

Hat Sie dabei auch der Formulierungsvorschlag des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi (SPD) beeinflusst? Sein Vorschlag mahnt an, „Vergewaltigung und Verfolgung“ von Sozialdemokraten und DDR-Kritikern nicht zu vergessen.

Nein, das hat uns nicht beeinflusst.

Der PDS liegt Ihr Entwurf inzwischen vor. Sind Ihnen schon Änderungswünsche zu Ohren gekommen?

Wir sind derzeit noch bei der innerparteilichen Abstimmung, in den nächsten Tagen wird mit der PDS darüber gesprochen. Zum Montag, wenn die offizielle Verhandlungsrunde wieder tagt, werden wir sicher eine abgestimmte Version haben.

Worum geht es noch in der Präambel?

Die Sanierung des Haushalts wird als Hauptaufgabe der Regierung benannt. Das ist eine klare Zielvorgabe. Als wichtige Politikfelder werden die Bereiche Arbeitsmarkt, Wirtschaftspolitik und die Bildungspolitik von der Kita bis zur Hochschule genannt. Dann müssen wir natürlich zur Hauptstadtfunktion etwas zu sagen und zur Schanierfunktion Berlins zwischen Ost und West mit Blick auf die EU-Osterweiterung. Interview: SABINE AM ORDE

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