: Tanzschuppen statt Bahnhof
Theater N.N. richtet sich im Ex-„Freddies Ballhaus“ ein neues Domizil ein ■ Von Christian Rubinstein
Eigentlich wollten sie in Altona bleiben. Dort hatte sich das Theater N.N. seit 1999 Räume in einer alten Lagerhalle gemietet. Doch als die Deutsche Bahn ihre hochtrabenden Pläne von einem Kulturbahnhof aufgab, stand auch die Theatertruppe wieder auf der Straße. Mit 25.000 Mark Unterstützung seitens der Kulturbehörde konnten sie immerhin im Sommer den Innenhof des Altonaer Rathauses bespielen. Im Oktober 2001 kam wieder festes Land in Sicht: Seitdem ist das Theater N.N. im ehemaligen Freddies Ballhaus in Eimsbüttel zu Hause. Jetzt wird erstmal gründlich renoviert.
„Das Gebäude wäre sonst abgerissen worden“, erzählt Dieter Seidel in seinem neuen Domizil. Der Gründer und Leiter des Theaters erläutert die Umbaumaßnahmen, die im Laufe des Januars beginnen sollen: „Die Abhängung der Decke kommt raus und macht Platz für die Beleuchtungsanlage.“ Auch der Boden des Theaterraums soll erneuert werden. Mit dem neuen Schwingboden ist der Saal dann auf der ganzen Fläche von 135 Quadratmetern nutzbar. Denn zum Konzept des Theaters N.N. gehört es, Bühne und Zuschauer bei jedem Stück anders im Raum zu verteilen.
Das Geld für den Umbau kommt von der Stadtentwicklungsbehörde. „Die 150.000 Mark sind kürzlich auf ein Treuhandkonto überwiesen worden. Die Baugenehmigung ist inzwischen erteilt.“ Für Theaterleiter Seidel ist das alles Neuland. Er hatte zunächst gedacht, er könne schon auf der Baustelle Theater machen. Das Kinderstück Piratenfahrt nach Piri Piri wurde dann tatsächlich im Dezember gespielt, brachte aber Komplikationen mit sich. Es musste eine vorläufige Sicherheitsüberprüfung der Strom- und Lichtanlage durchgeführt werden. „Das hat viel Kraft und Geld gekostet.“ Daher gibt es jetzt während der Umbauphase eine Spielpause.
In den nächsten Monaten soll alles einen professionelleren Rahmen bekommen. Für die SchauspielerInnen werden im Keller Garderoben und Duschen eingebaut. Die Küche soll renoviert und ein Getränketresen davor platziert werden. Ein Fundus für Kostüme und Bühnendekorationen ist bereits im Rohbau fertig. „Wenn alles fertig ist, soll hier im Theater von früh bis abends etwas passieren“, sagt Seidel. Er träumt von einem Künstlertreff und von Sessions mit Literatur und Musik.
Neben den Inszenierungen sollen auch weiterhin Workshops zur Arbeit des Theaters gehören. Neben Kursen in Schauspiel, Bewegung oder Bühnenkampf für Profis sollen auch für Amateure Workshops angeboten werden. „Wir setzen da am Spieltrieb der Teilnehmer an“, berichtet Seidel. Die Spielfreude, die man dabei wiederentdecken könne, wirke auf den Alltag zurück. Seine Arbeitsweise verdankt der ehemalige Filmregisseur seiner Ausbildung auf der Filmhochschule Babelsberg: „Ich frage ganz viel bei den Proben. Das führt zu einer wahrhaftigen Spielweise.“ Dies sei die Voraussetzung für gutes Kino und eben auch gutes Theater. Die Inszenierungen ergeben sich bei Seidel aus Improvisationen.
Zum Theater N.N. gehören zehn feste MitarbeiterInnen, alle auf ehrenamtlicher Basis. Vier davon sind SchauspielerInnen, die aber auch andere Aufgaben mit übernehmen müssen. Beim Umbau sind Eigenleistungen im Wert von 30.000 Mark eingeplant. Die meisten der DarstellerInnen kennt Seidel aus seiner Zeit als Lehrer an der Stage School of Dance and Drama. Geld für ihre Arbeit bekommen sie wenig. Das Dasein am Rande der Selbstausbeutung will der Theaterleiter in Zukunft beenden. Wie das angesichts einer Miete von 4.000 Mark gehen soll, darüber grübelt Seidel jetzt in seinem winzigen Intendantenzimmer. Eine Förderung seitens der Kulturbehörde steht nach dem Regierungswechsel noch mehr in den Sternen als vorher.
Daneben will auch die Frage nach der nächsten Inszenierung beantwortet sein. „Vielleicht machen wir ein eigenes Stück über die Geschichte eines Ballhauses.“ Das wäre dann gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit den neuen Räumlichkeiten. Auch Wiederaufnahmen sind eine Möglichkeit. „Wir könnten unsere Weill-Revue überarbeiten.“ Ein neues Stück zu entwickeln kostet Zeit, die neben dem Umbau schwierig zu finden sein wird. Als Termin für die Eröffnung ist Anfang März angepeilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen