: Zu großer Schuh
■ Bizarr: Ex-Kampnagel-Leiter Bosshart ist neuer Meininger Theaterintendant
Könnte sein, der Schuh ist ein bisschen zu groß. Oder hat die falsche Form. Oder ist im Farbtimbre nicht kompatibel: Den Schweizer Res Bosshart, den ehemaligen Hamburger Kampnagel-Intendanten, hat der Rat der Kulturstiftung Meinigen jetzt zum Intendanten des dortigen Theaters berufen und damit einem Experiment Raum gegeben, dessen Tragweite die Berufenden vielleicht nicht ganz ermessen haben.
Denn braves Theater hat Bosshart weder vor 1994 – als Leiter des Zürcher Theaterspektakels – noch zwischen 1995 und 2001 in Hamburg präsentiert. Stattdessen initiierte er Nachwuchs-Festivals wie die Jungen Hunde, die leider mit ihm aus Hamburg verschwanden.
Welch ein Kontrast also zum 1893 gegründeten Meiniger Theater, einer Mehrsparten-Bühne, die schon zu DDR-Zeiten künstlerisch Maßstäbe setzte und nach der Wende Besucher zwischen Thüringen und Unterfranken lockte. Konzerte von Mozart bis Henze und Ligeti stehen dort auf dem Programm, solide inszenierte Stücke von Shakespeare, Lessing, Goldoni und Kishon – und natürlich die in den letzten Jahren herausragenden Mozart- und Smetana-Opern. Nur gelegentlich standen Stücke von Werner Schwab, auch mal ein Rockballett und ein zaghaftes Mayenburg-Schauspiel auf dem Spielplan. Alles auf der Experimentierbühne, jedenfalls unter der bisherigen, jetzt zur Dortmunder Oper wechselnden Intendantin Christine Mielitz. Und das künstlerische und räumliche Arrangement schien zu tragen: Das Haus war gut besucht.
Und da hinein nun also Res Bosshart: Einer, der – so sein Kommentar zur Berufung – „nicht nur gefällige Kunst“ zeigen will und die Absicht hat, Tanz und Schauspiel aufs Niveau der Operninszenierungen zu heben. „Subventioniertes Theater muss immer Anlass zur Reflexion geben und kann nicht nur gefällig sein, das wäre falsch verstandene Kunst“, sagt er.
Markige Worte, denen auf experimentierfreudigen Großstadt-Bühnen gern auch provozierende Taten folgen dürfen. Wie aber das Meininger Publikum auf solche Akzentverschiebung reagieren wird, und ob andererseits Bosshart einer so konventionellen Bühne gewachsen ist, wird sich noch erweisen. ps
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen