: Ein schlechtes Beispiel
Weil die Macher der Ausstellung „Tatort Stadion“ nicht auf rechtslastige Zitate von Gerhard Mayer-Vorfelder verzichten wollen, streicht der DFB seine bereits zugesagte finanzielle Unterstützung
aus Hamburg CHRISTOPH RUF
Zumindest der Zuschauerschnitt ist in Ordnung. „Mit 3.000 Besuchern auf der ersten Etappe in Berlin haben wir nun wirklich nicht gerechnet“, erklären die Organisatoren der Wanderausstellung „Tatort Stadion – Rassismus und Diskriminierung im Stadion“. Gerd Dembowski und Ronald Noack vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (Baff) hoffen nun, dass das Interesse an der von der EU geförderten antirassistischen Fanausstellung, deren Schirmherren Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie Fußballprofi Michael Preetz (Hertha BSC Berlin) sind und die ab morgen Station in Hamburg macht, nicht abebbt. Nur auf militante Besucher aus dem rechten Lager würde man dieses Mal gerne verzichten. Zuletzt in Berlin wurde die Ausstellung gleich zweimal mit Leuchtspurmunition beschossen. Und im Internet fabulieren rechte Gruppierungen auch diesmal bereits von einer „zweiten Wehrmachtausstellung“, die es zu verhindern gelte.
Umso ungelegener kommt da der Konflikt mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), der immer größere Kreise zieht. Nachdem durchsickerte, dass der mitgliederstärkste Sportverband der Welt die zugesagte Unterstützung in Höhe von 10.000 Mark zurückzieht, hat auch einer der beiden Hamburger Bundesligisten kalte Füße bekommen: Auch der HSV zog seine offizielle Unterstützung umgehend wieder zurück. Nach Informationen von Fanforscher Gunter A. Pilz überlegen sich auch Institutionen an weiteren geplanten Standorten, ob sie eine Ausstellung fördern, die sich mit dem mächtigen DFB überworfen hat.
Dem Verband ist es ein Dorn im Auge, dass auf einer Stellwand rechtslastige Zitate von DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder („Die Chaoten in Berlin, in der Hafenstraße in Hamburg und in Wackersdorf springen schlimmer rum als die SA damals“) aufgeführt werden. DFB-Justitiar Götz Eilers forderte die Veranstalter daher auf, die Plakatwand zu entfernen. „Damit haben sie uns bei der Piratenehre gepackt“, sagt Gerd Dembowski, der darauf hinweist, dass alle Zitate „wasserdicht“ seien – ein Umstand, den übrigens auch der DFB nicht anzweifelt. Auch deshalb hätte es der Fanaktivist aus Berlin glaubwürdiger gefunden, wenn der DFB-Präsident sich inhaltlich geäußert hätte: „Joschka Fischer musste sich von Dingen distanzieren, die viel weiter zurückliegen als das älteste MV-Zitat.“
Um eine Eskalation zu verhindern, schlug Dembowski dem DFB zunächst vor, eine eigene Wand gestalten zu können; außerdem sei das Baff bereit, in Hamburg zwei zusätzliche Wände aufzustellen, die sich mit positiven Aktionen des DFB befassen. Pilz, der von den beiden Kontrahenten als Schlichter bestellt worden war und ursprünglich für Baff um die Unterstützung des DFB geworben hatte, bestand jedoch zusammen mit Eilers darauf, die Wand – zumindest zur Überarbeitung – abzuhängen. Darauf wiederum wollte Baff nicht eingehen.
Mittlerweile hat Pilz, der den DFB auch bei der David-Nivel-Stiftung des Weltverbandes Fifa vertritt, die Schirmherrschaft verärgert zurückgezogen. „Baff führt da einen albernen ideologischen Grabenkampf“, zeigt sich der Wissenschaftler vielmehr enttäuscht über die Weigerung der Fans, den Verband aus der Schusslinie zu nehmen. Zwar müsse sich Mayer-Vorfelder fragen lassen, „ob man nicht das Vokabular der Rechtsextremen“ übernehme, „wenn man von den Germanen in der Bundesliga spricht“. Allerdings, fährt Pilz fort, hätten die Ausstellungsmacher im historischen Teil einige gravierende Fehler gemacht. „Es trifft nicht zu, dass der DFB nach 45 ein Auffangbecken für Nationalsozialisten gewesen ist“, stellt er beispielsweise fest. Durch solche Behauptungen werde versucht, eine Kontinuitätslinie zu ziehen, die den DFB als rechte Organisation stigmatisiere; und das sei ebenso polemisch wie kontraproduktiv: „Bei aller gerechtfertigten Kritik an Aussagen seines Präsidenten – es gibt in den Führungspositionen des DFB einige Leute, die sehr sensibel mit dem Thema Rechtsextremismus umgehen. Die sollte man im Dienste der Sache stärken.“
Auch in der Frankfurter DFB-Zentrale sieht man bei Baff Ideologen am Werk. „Der Präsident wird in eine Ecke gestellt, in die er nicht gehört“, meint DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Es werde der Eindruck erweckt, als leiste „der DFB selbst einen Beitrag zum Rassismus in den Stadien“. Schmidt, der den Konflikt mit Baff bedauert („Wir sind das Ganze positiv angegangen, das können Sie mir glauben“), berichtet, man habe in Frankfurt „ausgesprochen aufgeregt“ reagiert, als man von den MV-Stellwänden erfahren habe. „Was hat denn die Diffamierung des DFB-Präsidenten mit dem Rassismus in den Stadien zu tun?“, fragt Schmidt.
Genau das glauben die Ausstellungsmacher beantworten zu können. „Mit ihren Äußerungen sind viele Prominente ein schlechtes Beispiel für gefährdete Jugendliche“, sagt Dembowski. Zitate von Politikern, Funktionären und Sportlern würden daher unter der Überschrift „Vorbilder?“ aufgelistet.
Überhaupt sei der Ansatz von „Tatort Stadion“ ein politischer: Rassistische Symbole und Sprüche werden nicht nur isoliert dargestellt; vielmehr soll nachgewiesen werden, dass sich die Rassisten im Einklang mit einer Grundstimmung in der Gesellschaft wähnen. „Ähnlich wie neonazistische Skinheads sind Hooligans das ungeliebte Zerrbild einer Erfolgsgesellschaft“, heißt es dazu im Ausstellungskatalog. So werde der xenophobe Unterton bei der Diskussion um innere Sicherheit und Zuwanderung in den Kurven nicht zu Unrecht mit „Ausländer raus“ übersetzt und dementsprechend umgesetzt.
Dass dieser Ansatz weniger abstrakt ist, als er den Verantwortlichen beim DFB vorkommen mag, untermauert ein Erlebnis Dembowskis nach der Wahl Mayer-Vorfelders zum DFB-Präsidenten: Während eines Bundesligaspiels auf Schalke sprachen den ehemaligen MSV-Fanprojektler zwei Duisburger Skinheads an. „Für euch Antifas brechen ja jetzt wohl harte Zeiten an. Schließlich ist der Mayer-Vorfelder einer von uns“, ließen sie Dembowski wissen.
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