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Proteste gegen „Europarealisten“

Im Rücktritt von Außenminister Renato Ruggiero sieht die italienische Opposition eine Chance, Regierungsschef Berlusconi in Verlegenheit zu bringen. Die Regierung spielt den Wechsel herunter. Berlusconi will im Außenministerium erst mal aufräumen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Mit einer Kundgebung auf dem Kapitolsplatz in Rom reagierte am Montagabend das oppositionelle Ölbaum-Bündnis auf den Rücktritt von Außenminister Renato Ruggiero. Fast alle Spitzenpolitiker der Mitte-links-Parteien und gut 1.000 Demonstranten hatten sich eingefunden, um gegen den europapolitischen Kurswechsel der Regierung zu protestieren, der in ihren Augen der wahre Kern der Kabinettskrise ist. „Wir haben es mit einer politischen Wende zu tun“, erklärte Massimo D’Alema, Präsident der Linksdemokraten: „Mit Ruggiero verschwindet der, dessen Präsenz als entscheidende Garantie für die Kontinuität unserer europäischen Politik betrachtet wurde. Wir stehen vor dem Sieg der gröbsten antieuropäischen Positionen.“

Erstmals seit acht Monaten sieht die Opposition die Chance, Berlusconi in Verlegenheit zu bringen und das Echo auszunutzen, das Ruggieros Rücktritt in den Staatskanzleien der europäischen Hauptstädte und den Medien gefunden hat. Die Parlamentsdebatte am kommenden Montag will das Ölbaum-Bündnis nutzen, um den Regierungschef und Außenminister weiter in Widersprüche seiner Außenpolitik zu verwickeln.

Auch EU-Kommissar Mario Monti bezeichnete Ruggieros Rücktritt als „schweren Verlust für Europa und besonders für Italien“. Berlusconi könne „nicht mehr zwischen unterschiedlichen Positionen vermitteln“; auf der Tagesordnung stehe eine „klärende Debatte in der Koalition, die auf Slogans verzichtet“. Die Koalition dagegen bemüht sich mit ebensolchen Slogans, den Wechsel im Außenamt zum Nichtereignis herunterzuspielen. „Kontinuität, nicht aber Kontinuismus“ sei gefragt, lautet eine der Sprachregelungen, und Europaminister Rocco Buttiglione erklärte, Ruggiero sei wegen seines überspitzten „Personalismus“ und „mangelnder Kommunikation mit den anderen Regierungskollegen“ gescheitert. Die Linie der Regierung habe sich keinen Deut geändert – außer, „dass wir keine Europaenthusiasten, sondern Europarealisten sind“. Selbst Giulio Tremonti – der zu Forza Italia gehörende Schatzminister, der in den Tagen des Change-over mit europakritischen Sprüchen auffiel – präsentiert sich nicht nur als „alter Freund Ruggieros“, sondern auch als begeisterter Fan der europäischen Integration.

Tremonti hat damit die Marschroute Berlusconis übernommen, der bei der Amtsübergabe im Außenministerium ein glühendes Bekenntnis zu Europa ablegte. Jenseits der Prinzipienerklärungen spielte jedoch die europäische Politik in Berlusconis Ausführungen über seine Absichten als Chef des Außenamts dann keine Rolle mehr. Das Außenministerium werde er „revolutionieren“, versprach er. Künftig müssten sich die Botschaften des Landes an einem neuen Parameter messen lassen: an den „Exporterfolgen Italiens“. Sich selbst gibt Berlusconi sechs Monate, um die Botschafter zu Handelsvertretern umzuschulen.

Dass er so lange bleibt, glaubt keiner. Nicht umsonst bestand Berlusconis erste Amtshandlung darin, sämtliche Termine als Außenminister abzusagen – wegen Zeitproblemen. Neben der Arbeitsfülle sind es aber vor allem die Koalitionspartner, die Berlusconi einen zu langen Verbleib im Interim nicht gestatten wollen. Schon meldete Gianfranco Fini, Chef der postfaschistischen Alleanza Nazionale, eine schnelle Lösung an und fügte hinzu, als Vizeministerpräsident sei er ein Kandidat. Dahinter stecken allerdings weniger eigene Begehrlichkeiten als die Absicht, Berlusconi bei der Kandidatenauswahl nicht das Feld zu überlassen.

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