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„Das ist Literaturmission ohne Absender“

Reinhard Hempelmann von der evangelischen Kirche hält das Buch „Kraft zum Leben“ für harmlos. Doch die Herausgeber sollten Gesicht zeigen

taz: Seit Wochen wirbt die amerikanische DeMoss-Stiftung mit Plakaten und Fernsehspots für ein Buch namens „Kraft zum Leben“. Sie haben es gelesen. Wie lautet ihr Fazit?

Reinhard Hempelmann: Das Buch will eine Anleitung zum christlichen Glauben sein. Solche Anleitungen sind angesichts des Verdunstens christlicher Glaubensorientierungen nötig. Ob „Kraft zum Leben“ kirchendistanzierte Zeitgenossen anspricht, ist allerdings fraglich. Auf die Schwierigkeiten neuzeitlicher Menschen mit dem Glauben geht es kaum ein. In seiner Ausrichtung ist es dem konservativen Evangelikalismus zuzuordnen. Das Buch stellt vier geistliche Gesetze auf, durch die man Christ werden kann, und weist so einen sehr schematischen Weg zum Glauben. Aber die befreiende Kraft des Glaubens erschließt sich oft gar nicht in einem einzigen Augenblick, sondern in einem Prozess.

Ist die konservative Ausrichtung der DeMoss-Stiftung in dem Buch wiederzufinden?

Die klassischen ethischen Themen des protestantischen Fundamentalismus, etwa der Schutz des ungeborenen Lebens und der Kampf gegen den Feminismus, die für die DeMoss-Stiftung bedeutsam sind, spielen in dem Buch gar keine Rolle. Der Glaube wird nur unter dem Gesichtspunkt der individuellen Errettung und Vergewisserung gesehen.

Das Buch ist also harmlos?

Es ist kein Sektenbuch, und in vielen Aussagen zustimmungsfähig. Am Schluss findet sich eine Anleitung zum Bibelstudium. Jeder Theologe und Christ wird sich freuen, wenn die Menschen die heilige Schrift lesen.

Der Stiftung werden Verbindungen zu radikal-christlichen Organisationen nachgesagt . . .

Das ist auf keinen Fall vernachlässigbar. Was ich irritierend finde, ist die fehlende Transparenz und die Informationsverweigerung. Wenn die Stiftung wirklich extreme Gruppen unterstützt, die zur politisierten Form des Fundamentalismus in den USA gehören, muss das auch zugegeben und begründet werden.

Kann man der DeMoss-Stiftung Irreführung vorwerfen?

Ich würde diesen Vorwurf erheben, wenn die Stiftung hauptsächlich fundamentalistische Gruppen unterstützt.

Könnte die Werbekampagne denn langfristige Wirkungen haben?

Sie muss dazu führen, dass wir auf kirchlicher und theologischer Ebene eine Debatte darüber führen, was Mission eigentlich ist. Meines Erachtens ist Mission ein Kommmunikationsgeschehen. Dazu gehört ein Zeuge, der auch Gesicht zeigt. Wenn wie hier die Geldgeber gar nicht auftreten, ist das problematisch.

Entwickelt die DeMoss-Stiftung Strukturen in Deutschland?

Dass die DeMoss-Stiftung sich hier organisiert und eine offizielle Zusammenarbeit mit evangelikalen Gruppen aufgenommen hat, ist mir nicht bekannt. „Kraft zum Leben“ ist eher eine Form von Literaturmission ohne Absender, von Amerika aus gesponsort und dirigiert. Das Buch zeigt zugleich die Tendenz, dass das evangelikale Spektrum an Bedeutung gewinnt. INTERVIEW: YASSIN MUSHARBASH

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