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„Mit der Schöpfung leben“

Bioenergie im Westerwald: Ein Geschwisterpaar baute in den Neubau eine Holzpelletsheizung ein – und stieß vor Ort beim Installateur zunächst auf Unverständnis. Große Nachfrage nach der krisensicheren und klimafreundlichen Heiztechnik

Die Geschwister Runkel im Westerwald gehören zu den ersten, die nördlich des Mains mit Holzpellets heizen. Sie haben sich vor allem aus christlicher Verantwortung gegenüber der Umwelt für diese Heiztechnik entschieden. Dabei ist diese Bioenergie nicht teurer als eine konventionelle Heizmethode.

Eine Holztreppe führt hinab in den Heizungskeller der Geschwister Runkel. An der Wand hängt ein Poster. „In Weisheit mit der Schöpfung leben“, steht in großen Lettern über dem Landschaftsmotiv. Marieluise Runkel öffnet eine Eisentür, geht an einem großen Haufen eingewinterter Staudenwurzeln vorbei, öffnet eine weitere Tür: „Hier steht der Brenner, der Wasserkessel, die Förderschnecke und hier“, die 66-Jährige klappt eine Luke auf, „liegt unser Brennstoff, die Holzpellets. Alles gepresste Natur. Im März haben wir das letzte Mal getankt.“

Der Brenner arbeitet, die Temperatur stimmt, alles läuft. Eigentlich eine unspektakuläre Technik, und doch ist diese klimafreundliche Methode des Heizens – außer im Süden der Republik – immer noch bestaunte Ausnahme. „Der Mitarbeiter unserer Baufirma guckte mich nur ungläubig an“, erinnert sich Marieluise über die erste Reaktion der inzwischen bekehrten Experten.

Marieluise und ihre sieben Jahre ältere Schwester Annemarie Runkel zogen Ende 2000 in den Neubau in Wied, einem 500-Seelen-Dorf mitten im Westerwald. Vom runden Tisch ihres Wohnzimmers schweift der Blick ins waldreiche Tal. Die „Losungen 2000“ liegen auf der Anrichte. „Also, wenn schon ein Häuschen bauen, dann eben so umweltfreundlich wie möglich“, erklärt Marieluise Runkel und trinkt vom fair gehandelten „Cafe Organico“. So entschieden sich die beiden Frauen für ein Holzverbundhaus, für Fußböden aus Kork und Holz und für eine 2,4 Kilowatt große Photovoltaikanlage, die im Rahmen des 100.000-Dächer-Programms mit einem zinsvergünstigen Darlehen finanziert wird. Der erzeugte Strom fließt ins Netz des regionalen Stromversorgers.

Das Herzstück des CO2-neutralen Haushalts ist die Holzpelletsheizung. Sie sorgt mit der kombinierten Solaranlage neben Wärme auch für Warmwasser. Nur die Idee, sich mit dem Regenwasser zu duschen, ließ sich nicht umsetzen. „Das hatte ich mir ganz einfach vorgestellt“, erzählt Marieluise, „aber das ist ja in Deutschland mit den Verordnungen nicht so einfach möglich.“ Statt dessen werden die Runkels das gesammelte Dachwasser fürs Gießen der Himbeeren und Johannisbeeren nutzen.

Der verantwortungsvolle Umgang mit der Umwelt ist bei den Runkels tief verwurzelt. Der Vater war evangelischer Pfarrer. Die Mutter sympathisierte in den 20er-Jahren mit der Reformbewegung. „Unsere Mutter suchte schon damals nach Alternativen“, erzählt Annemarie, die nach Krankenschwesterausbildung und Bibelschule in der evangelischen Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung arbeitete. Ihre Schwester Marieluise war nach dem Theologiestudium 30 Jahre lang Pastorin im Taunus. „Als wir entschieden hatten, selber ein Haus zu bauen, haben wir uns über Niedrigenergiehäuser und alternatives Heizen informiert“, erzählt Marieluise.

Die drohende Klimakatastrophe ist für die Runkels keine Fata Morgana, sondern Realität, die zum generationsübergreifenden Handeln herausfordere. „Schon allein, um die Schöpfung zu bewahren“, benennt Annemarie ihr wichtigstes Argument für das Heizen mit Biomasse statt mit fossilen Brennstoffen.

Trotzdem ist es kein selbstloses, rein ethisch motiviertes Investment. Zwar sind die Installationskosten etwas höher als bei konventioneller Brenntechnik, doch haben die Runkels für ihre mit einer Solaranlage kombinierten Holzpelletsheizung rund 4.500 Mark staatliche Förderung erhalten. Da zwei Kilogramm Pellets dem Heizwert von einem Liter Öl entspricht und die Pellets derzeit 35 Pfennig pro Kilogramm kosten, liegen die Ersparnisse bei hohen Heizölpreisen auf der Hand. „Ich weiß zwar noch nicht genau, wie viel wir wirklich sparen“, zieht Marieluise eine erste Zwischenbilanz, „aber auf jeden Fall ist das Heizen mit Pellets nicht teurer.“

Zudem hat sich in der Region einiges getan, was langfristig für stabile Pelletspreise sorgt. Kam der gepresste Brennstoff bisher noch aus Österreich, dem Mutterland der kleinen, zylindrischen Röllchen, so existiert seit Dezember eine Pelletsfabrik im Westerwald. Es verarbeitet Späne von Sägewerken aus der Region. Damit hat eine neue Ära in der stetig wachsenden Gemeinde der Bioenergie in und um den Westerwald begonnen. Nun wächst der Brennstoff auch da, wo er verheizt wird. Lange Transportwege fallen weg.

„Allein in diesem Jahr sind rund 30 neue Pelletsheizungen in der weiteren Umgebung installiert worden“, sagt Andreas Krug, Mitarbeiter der Firma „Westerwälder Holzpellets“, die das neue Pelletswerk in Langenbach betreibt. Krug erfreut sich trotz derzeit sinkender Heizölpreise an der großen Nachfrage nach der krisensicheren wie klimafreundlichen Heiztechnik. Über ein fehlendes Angebot macht er sich keine Sorgen. Rund 100.000 Tonnen Holzabfälle fallen allein bei den Sägereien im Westerwald an. Da scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann die Produktionskapazität von jährlich 15.000 Tonnen im neuen Pelletswerk erreicht wird.

Ein Erfolg, der auch auf den Pioniergeist der Geschwister Runkel basiert. Ihr tief verwurzelter christlicher Glaube versetzt eben (Pellets)-Berge. DIERK JENSEN

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