: „Solche und solche Meldungen“
Da die Berlin Capitals streng beobachtet werden, wachsen sich selbst kleinere Unregelmäßigkeiten zu Schlagzeilen aus
BERLIN taz ■ Fakt ist, dass es den Berlin Capitals schon einmal schlechter ging. Fakt ist aber auch, dass sie das in ihrer aktuellen Lage kaum trösten kann. Nach den Finanzproblemen vom Sommer, die in den Verlust der DEL-Lizenz zu münden drohten, wird der Eishockeyklub mit Argusaugen observiert, jede Unschärfe in den Finanzen wird dioptrienscharf in den Blick genommen. Manchmal führt das zu verschielten Bildern. Soll heißen: Was als der neue Finanzskandal der Capitals in die Öffentlichkeit getragen wurde, geriet mit viel heißer Luft dorthin und folgte dem alten Gesetz der Medienbranche, nachdem in Zeiten der Nachrichtenleere auch Randnotizen zu Schlagzeilen aufgeblasen werden.
En détail: Die Gehälter werden den Profis der Caps gemeinhin am 3. jeden Monats überwiesen – und so sollte das auch im neuen Jahr vonstatten gehen. Doch als an diesem Tag keine Zahlung erfolgte, wusste das der Berliner Zeitungsleser schon am darauf folgenden Tag. „Man ist durch das Sommertheater sehr dünnhäutig geworden“, sagt Pressesprecher Hans-Peter Harbig dazu, weiß aber auch: „Wenn das zu einer üblichen Praxis wird, dann wird der Sportteil der Zeitungen mit Eishockeymeldungen demnächst überflutet.“ Über das Ziel hinaus schoss auch ein Bericht des Sportinformationsdienstes sid, in dem sogar vermutet wurde, die neue Saison könnte ohne die Berliner Pucktreiber starten. „Das war alles sehr schlecht recherchiert“, sagt Harbig. Und: „Die Lüge läuft ja bekanntlich dreimal um die Welt, bis sich die Wahrheit überhaupt die Schuhe anzieht.“
In einem merkwürdigen Widerspruch zu diesen Worten steht allerdings die Reaktion des Caps-Hauptgesellschafter Egon Banghard, der wie ein aufgescheuchtes Huhn auf die Berichte reagierte. Eilends trat er vor die Profis und beruhigte sie, spätestens am 15. Januar würden ihre Gehälter gezahlt. Darüber hinaus werde er alles in die Wege leiten, das Geld noch früher locker zu machen, eine zu hoch veranschlagte Versicherungspolice (350.000 Euro) sowie eine vorzeitige Ratenzahlung des Hauptsponsors Skoda (256.000 Euro) sollten das Loch von einer Viertelmillion Euro stopfen. In die eigene Tasche will Immobilienhändler Banghard hingegen nicht mehr greifen, weil er demnächst ohnehin kürzer tritt. Auf der Gesellschafterversammlung am 25. Januar wird er seinen Clubanteil von 97,8 Prozent herunterfahren, Beteiligungen von bis zu zwei Millionen Euro will Banghard abstoßen.
Cap-Sponsor Skoda Deutschland, der pro Saison 750.000 Euro zuschießt, ist derweil im Unklaren darüber, was bei den Kufencracks aus der Hauptstadt alles so vor sich geht. Positiv zu bewerten sei die Siegesserie im Dezember, sagt Skoda-Geschäftsführer Dieter Sitz.Unklar bleibe für ihn jedoch das Finanzgebahren der Führungsriege: „Man liest solche und solche Meldungen. Ich versuche, das neutral zu bewerten.“ Im Frühjahr läuft der Vertrag zwischen Skoda und Caps aus, ob es eine weitere Zusammenarbeit geben wird, dazu möchte Sitz nichts sagen, äußerst aber seine Zweifel an der Strahlkraft, die Skoda auf dem Eis in der Deutschlandhalle entfalten könne. In der Spielstätte mit viel Patina blieb der Videowürfel an der Hallendecke ein uneingelöstes Versprechen. Die Bullypunkte konnten ebenso nicht vermarktet werden wie ein Teil der Werbebanden. Und: Der Zuschauerschnitt ist mit 2.700 Besuchern erschreckend gering.
Bisher verfuhren die Capitals nach folgendem Konzept: Banghard zieht die Fäden und bewegt ein paar Marionetten – die Gesellschafter wechselten zuletzt rasch. „Das Personalkarusell hat sich sehr schnell gedreht“, bestätigt Pressesprecher Harbig, Sport- und Finanzsachverstand haben so in Berlin-Charlottenburg selten zusammengefunden. Für mehr Ruhe soll nun Andreas Hahn (38) sorgen, der künftige Generalmanager. Der gelernte Fußballlehrer wird zum Saisonende jedoch nach wie vor auf einem Schuldenberg sitzen. Banghard, so heißt es, stehe in Verhandlungen mit russischen NHL-Profis, die an einem Einstieg interessiert seien. Doch solange die Berliner nicht aus den Negativschlagzeilen heraus kommen, wird es schwer, Finanziers zu begeistern. „Wir treten etwas auf der Stelle“, sagt Harbig. „Momentan hören sich doch Spieler und Sponsoren gar nicht erst an, was wir zu sagen haben.“
MARKUS VÖLKER
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