Kroatien am Zug

Der tschetschenische Rebell Arthur Udugow wird in Kroatien festgehalten. Moskau drängt auf Auslieferung

ISTANBUL taz ■ Nach Informationen des türkischen Menschrechtsvereins Mazlum Der drängt die russische Regierung auf die Auslieferung des tschetschenischen Flüchtlings Arthur Udugow. Wie der Sprecher von Mazlum Der, Ömer Eksi, mitteilte, befindet sich Ugudow jedoch nicht mehr in der Türkei, sondern wird in Kroatien festgehalten. Ugudow, dessen Familie in der Türkei ist, habe wegen der schlechten Wirtschaftslage versucht, über Serbien und Kroatien nach Westeuropa zu gelangen. Dabei sei er in Kroatien festgenommen und in das Lager Dügüselo, 30 Kilometer von Zagreb entfernt, gebracht worden.

Vor wenigen Tagen hatte die russische Regierung behauptet, die Türkei sei bereit gewesen, den Mann auszuliefern. Bei Ugudow soll es sich angeblich um einen der führenden Köpfe des Überfalls auf Dagestan im Sommer 1999 handeln. Dieser Angriff tschetschenischer Rebellen war der Auslöser für den zweiten, noch andauernden Krieg in Tschetschenien. In Ankara wollte man die Meldungen über eine bevorstehende Auslieferung Ugudows nicht bestätigen.

Russland wirft der Türkei seit langem vor, tschetschenischen Kämpfern, bei denen es sich nach offizieller russischer Lesart um Terroristen handelt, einen sicheren Rückzugsraum zu bieten. Tatsächlich genossen die Tschetschenen in der Türkei lange große Symphathie und können sich auf ein ganzes Netzwerk von Landsleuten stützen, die oft bereits seit Generationen in der Türkei leben. Im letzten Jahr haben sie allerdings mit einer Flugzeugentführung von Istanbul nach Medina und vor allem mit einer großangelegten Geiselnahme im Istanbuler Nobelhotel „Swiss Otel“, die Geduld der türkischen Behörden arg stapaziert.

Erst recht seit dem 11. September fällt es der türkischen Regierung schwerer, die Tschetschenen wegen der eigenen Propaganda zum Kampf gegen den Terrorismus auszuklammern. Da Ankara sich gerade wieder gegenüber der EU beklagt, dass die PKK in Brüssel nicht auf die „Terrorliste“ gesetzt wurde, kann sie nun schlecht Russland gegenüber von tschetschenischen Freiheitskämpfern sprechen. Da trifft es sich gut, dass Ugudow das Land verlassen hat.

Die Solidarität mit Ugudow kommt zur Zeit im Wesentlichen aus islamischen Organisationen. Mazlum Der weist darauf hin, dass erst vor zwei Monaten aus Kroatien ein anderer tschetschenischer Kämpfer, Mayamadow Aslan, an Russland ausgeliefert und dort angeblich getötet wurde. JÜRGEN GOTTSCHLICH