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Zur Gesundheit zwingen

Sozialverband Deutschland präsentiert weit gehende Vorschläge zur Gesundheitsreform

BERLIN taz ■ Die Menschen werden immer älter, die Medizin immer teurer, die Krankenkassenbeiträge immer höher, und was meint der Sozialverband Deutschland? Man müsse die Menschen „zur Gesundheit zwingen“, erklärte gestern Peter Vetter, Präsident des Sozialverbands, ehemals Reichsbund, der nach eigenen Angaben 500.000 Mitglieder zählt.

Wenn die Leute nicht freiwillig aufhören mit Rauchen und Trinken, müsse man sie eben zur Prävention verdonnern. Wer etwa nicht an Entwöhnungsprogrammen teilnimmt, soll mehr Krankenkassenbeiträge zahlen, forderte Vetter. Ähnlich werde es bereits in einigen skandinavischen Ländern praktiziert.

Zur Sicherung des Gesundheitssystems müssten außerdem alle Erwerbstätigen, sprich auch Beamte und Selbstständige, wieder in die gesetzliche Krankenversicherung übertreten. Über Privatkassen dürften dann nur noch Zusatzleistungen versichert werden. Weitere Belastungen der Versicherten, insbesondere der chronisch Kranken und Behinderten, durch Eigenleistungen kämen überhaupt nicht in Frage, sagte Vetter.

Weiterhin forderte der Sozialverband, dass auch ganzheitliche und Naturheilverfahren von den Kassen bezahlt werden sollen. Die Ärzte müssten ein anderes Abrechnungssystem verordnet bekommen. Würden sie nach Zeitaufwand – der vom Patienten zu quittieren wäre – statt nach Patientenzahl und Leistungen bezahlt, würde sich das Problem mit dem Abrechnungsbetrug auch wie von selbst erledigen, erklärte Vetter.

Dass einige der Vorschläge – etwa die Einführung einer neuen Pflichtversicherung – keine Aussichten auf Umsetzung haben, schien Vetter gestern nicht zu stören. Zunächst einmal wolle man sich an der „immer schärfer werdenden Diskussion beteiligen“, sagte er, man könne aber in einigen Punkten durchaus „zu Kompromissen finden“. Bis zum Verbot der Privatversicherungen begnügt sich der Sozialverband auch damit, den Plan von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die Versicherungspflichtgrenze anzuheben, zu begrüßen. Dadurch könnten „weniger Besserverdienende in die private Krankenversicherung wechseln“, also mehr Gesunde in der gesetzlichen bleiben.

Schmidt will die bisherige Obergrenze für die Berechnung der Kassenbeiträge – zurzeit 3.375 Euro – an die Grenzwerte der Rentenversicherung anpassen. Für die Rentenversicherung gelten zurzeit Grenzwerte von 4.500 Euro in West- und 3.750 Euro in Ostdeutschland. UWI

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