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Angebot zum Verständnis

Schriften zu Zeitschriften: Die aktuelle Ausgabe von „Texte zur Kunst“ widmet sich einer Untersuchung des Kunstmarktes. Auf ihm verschiebt sich die Gewichtung von den Galerien auf die Auktionshäuser

Ob Andreas Gurskyim nächsten Jahr noch in ist, kann unsganz egal sein

von BRIGITTE WERNEBURG

In Ausstellungen und in Museen ist Kunst Kunst. Sonst ist auch sie Ware, auch wenn der Mehrheit der Kunstfreunde das Objekt ihrer Begierde so gut wie nie als solche begegnet. Kunst wird nicht konsumiert und in ihrer massenhaften Nutzung verbraucht, sie wird ästhetisch erfahren, und zwar an Orten und in Institutionen, die selbst wieder einer außerökonomischen Wertsphäre angehören, da nicht der Markt sie geschaffen hat und unterhält, sondern der Staat und die Gesellschaft selbst. Für die Erfahrung des Unikats und Originals als Ware jedenfalls reicht bei den meisten Kunstfreunden das Geld nicht aus. Für sie hat Kunst keinen Preis.

Trotzdem, es gibt für die Kunst einen Markt, auf dem Namen und Preise ermittelt werden. Die vor zehn Jahren als Forum eines neuen Interesses an Recherche und Theorie in der zeitgenössischen Kunst gegründete Zeitschrift Texte zur Kunst hat ihr aktuelles Heft nun diesem Markt, seinen Akteuren und seinen Strukturveränderungen gewidmet. Jenseits vom schlichten Hinwegsehen über den Warencharakter von Kunst und jenseits der Denunziation des Kunstmarktes als einer ökonomischen Verschwörung wider den Geist der Kunst sucht Texte zur Kunst einen dritten Weg zu beschreiten, „den des besseren Verständnisses“, wie die Herausgeberinnen Isabelle Graw und Barbara Hess im Vorwort schreiben.

Dabei lassen sie nicht außer Acht, dass auch sie Teil des Systems sind, wenn sie als Zeitschriftenmacherinnen an die möglichen Reaktionen von Anzeigenkunden denken, deren Ausstellungen im Heft negativ besprochen werden, obwohl gut belegt ist, dass der Kunstkritik für die Kaufentscheidung eines Sammlers kein Gewicht zukommt. Die Auktionshäuser, die seit kurzem auch zeitgenössische Kunst anbieten, sind es, die ganze Existenzen vernichten oder aufbauen können. Die Kehrseite dieser Entwicklung heißt, dass die Galerie ihren Stellenwert als der Ort verloren hat, an dem traditionellerweise ein Künstler aufgebaut, betreut und lanciert wird. Der „Einzelhandel“ wie Graw und Hess die Galerie nennen, muss auch in der Kunst den internationalen Zusammenschlüssen und Korporationen weichen. All das läuft auf wenige Namen hinaus, die im Geschäft sind, auf Seiten der Künstler wie auf Seiten der Galeristen. Stärker als jemals zuvor geht dieser Prozess zu Lasten derjenigen Kunst, die sich auf keine Formel bringen lässt. Und er geht zu Lasten der Kommunikation zwischen Kunstkritik, Sammlern und Galeristen. Tendenziell trifft man sich jetzt unter seinesgleichen. „Die Kluft zwischen den Kunstwerken, die Kritiker und Theoretiker ‚unter sich‘ diskutieren, und jenen, die auf dem Markt reüssieren, ist folglich ziemlich ausgeprägt“, ziehen Graw und Hess die Schlussfolgerung aus der Fülle von investigativ ausgerichteten Gesprächen und Interviews, die sie und ihre Autoren mit Galeristen, Sammlern, Kuratoren und Auktionären für das aktuelle Heft geführt haben. Ein Beispiel für dieses Phänomen ist der Hype um den Fotografen Thomas Demand, der ausschließlich auf dem so genannten Sekundärmarkt der Auktionen entstand.

Auktionen werden regelrecht orchestriert, und dabei braucht man im Moment, so Gérard Goodrow, Auktionskurator bei Christie's, „für jede Auktion einen Andreas Gursky, einen Thomas Demand, einen Damien Hirst und eine Sarah Lucas“. Wobei, wie Goodrow offen zugibt, „es uns eigentlich egal sein kann, ob Gursky nächstes Jahr noch ‚in‘ ist oder nicht. Wir vertreten ihn schließlich nicht.“ Ähnlich auskunftsfreudig zeigt sich der selbstständige Kunstberater Todd Levin, ein von sich überzeugter klugscheißerischer Klotz. Seine Arbeit drehe sich nicht allein um den Aufbau einer Sammlung, vielmehr gehe es darum „die Person zu kuratieren“, und „ihr bei der Kultivierung ihres Wissens zu helfen“. Obwohl der Sammler der Kunstszene als einer Welt begegnen solle, „in der Geschäfte gemacht werden“, und deshalb auch „die Ästhetik zunächst einmal beiseite lassen“ dürfe, müsse er „sich ganz ehrlich fragen: Warum will ich dieses Kunstwerk kaufen?“ Nach diesen Ausführungen, in der Tat, warum? Vielleicht, um ganz kultiviert eine lohnende Investition zu tätigen? Arbeiten von Künstlerinnen fallen offensichtlich nicht unter diesen Begriff, sie kommen in seiner Sammlung nicht vor. Mit Ausnahme von Sarah Lucas, von der der Leser nun schon weiß, dass sie zu den musts heutiger Auktionen zählt. Dem Marketingbegriff „Alleinstellung“ scheint Levin offenkundig nichts abgewinnen zu können.

Die Anlageform Party („Ein großer Teil der Kunstwelt und des Kunstmarktes beruht auf einer Art großen gemeinsamen Party“, Galeristin Janelle Reiring von Metro Pictures) ist nach dem 11. September natürlich schwer im Kurs gefallen. Plötzlich wird deutlich, auf welche negative Weise sich die internationale Kunstwelt verändern könnte, wenn die hohe Mobilität, auf der sie beruht, beeinträchtigt ist. Verglichen mit anderen Märkten ist der Handel mit Kunst eben ein kleiner, überschaubarer Markt und selbst in den USA auf eine internationale Klientel angewiesen; ein Moment, das im Heft vielleicht zu kurz kommt. Zahlen wären hier erhellend gewesen. Einmal („Zwischen Raffgier und Liebhaberei“) liest man, dass die internationalen Auktionshäuser nach den Impressionisten mit der Gegenwartskunst die zweithöchsten Profite einfahren. „Wo Rendite und Aufmerksamkeit bei eher bescheidenem Sachverstand hoch sind“, liegt das Geschäft mit der Ruhmsucht, die sich mit einer Kunstsammlung offenbar am effektivsten befrieden lässt. Gemüsehändler, Immobilienfritzen, Rechtsanwälte, Schraubenfabrikanten und was sonst noch an erfolgreichen Menschen in Dutzendberufen vorstellbar ist, haben dann plötzlich Namen, die der Öffentlichkeit bekannt sind. Wie würde sich ihr Image ändern, wenn mehr Menschen Kunst als Ware begegneten? Texte zur Kunst bietet seit ihren Bestehen in jedem Heft eine Edition an. Zum Preis von 245 Euro gibt es jetzt Georg Herold. Ein Angebot zum besseren Verständnis.

Texte zur Kunst, 11. Jahrgang, Heft 44, 14 €, www.textezurkunst.de

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