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Temelín von Rechten missbraucht

Heute startet die rechtsextreme FPÖ in Österreich ein Volksbegehren gegen das unbeliebte tschechische Pannen-Atomkraftwerk. Damit wollen sich die Populisten Freunde machen – und die geplante EU-Osterweiterung blockieren

aus Wien RALF LEONHARD

Ein Engelchen blickt traurig aus dem Plakat heraus. „Fromme Wünsche sind nicht genug“, steht daneben. Weil wir doch alle leben wollen, sollen wir ab heute das Volksbegehren gegen die Inbetriebnahme des tschechischen Atomkraftwerks Temelín unterschreiben. Nichts auf dem Plakat weist darauf hin, dass die Initiative dazu von Jörg Haiders rechtsextremer FPÖ eingeleitet wurde. Ein rotweißrotes Anliegen sei das Volksbegehren, versicherte FPÖ-Fraktionschef Peter Westenthaler letzte Woche.

Von Überparteilichkeit kann indes keine Rede sein. Am wenigsten Freude mit dem Volksbegehren hat der Koalitionspartner, die Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Bundeskanzler Wolfgang Schüssel warnte die Bürgermeister der ÖVP, wer das FPÖ-Volksbegehren unterschreibe, riskiere, dass Temelín ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen betrieben werde.

Schüssel hatte Ende November mit dem tschechischen Premier Milos Zeman Auflagen vereinbart, die die Kraftwerksbetreiber verpflichten, die Anlage nachzurüsten. Sie gar nicht in Betrieb zu nehmen, was Opposition und FPÖ fordern, war nicht Gegenstand der Unterredung.

Die Querschüsse der Haider-Leute kommen Schüssel, der die Sache diplomatisch regeln will, höchst ungelegen. In seinem Schreiben an die Parteifreunde in den Gemeinden fand er weit deutlichere Worte als sonst in öffentlichen Stellungnahmen: „Wir sollten zudem nicht vergessen, dass das FPÖ-Volksbegehren der Opposition in die Hände spielt sowie jenen Kräften in der FPÖ, denen es um mehr Populismus geht als um Reformpolitik.“

Ein Volksbegehren wird in Österreich üblicherweise von einer Bürgerinitiative eingeleitet. Gibt es mehr als 100.000 Unterschriften, muss das Thema im Parlament behandelt werden. Unbequeme Forderungen wurden jedoch in der Vergangenheit schnell von der politischen Agenda abserviert.

Warum die FPÖ, der es freistünde, als Parlamentsfraktion einen Gesetzesantrag einzubringen, ein Volksbegehren inszeniert, ist für die Opposition klar: Den Meistern des billigen Populismus geht es in Wirklichkeit um die Osterweiterung der EU. Da Österreich schwerlich die Schließung eines AKW im Ausland beschließen kann, soll der Bundesregierung mit dem Volksbegehren aufgetragen werden, den EU-Beitritt Tschechiens zu blockieren, wenn das Kraftwerk nicht stillgelegt wird. Seit Aufnahme des Probebetriebs vor anderthalb Jahren wurden von dort mindestens 28 Störfälle gemeldet. Erst letzten Freitag war das AKW erstmals zu hundert Prozent in Betrieb – allerdings nur 10 Minuten lang. Dann schaltete sich der Reaktor automatisch ab, weil es zu einem Übertragungsfehler gekommen war.

Die Grünen sind verärgert, dass die FPÖ eines ihrer ureigensten Themen besetzt. Zwar wünschten auch sie sich, dass das AKW nie ans Netz gehen würde, doch sind sie gegen einen Boykott der EU-Erweiterung. Sie wollen der nächsten tschechischen Regierung nach den Wahlen im Frühjahr großzügige Ausstiegshilfen anbieten. Dana Kuchtova, eine Vertreterin der Südböhmischen Initiative von Müttern gegen Atomgefahren, klagte, dass das Volksbegehren den Widerstand in Tschechien schwäche und die Akzeptanz der Atomenergie steigere.

Wichtigster Verbündeter der FPÖ ist das Boulevardblatt Neue Kronen Zeitung, das populäre Anliegen gerne mit auflagensteigernden Kampagnen begleitet. Die Krone präsentiert jeden Tag einen neuen Promi, der für die Sache wirbt. DJ Ötzi soll die jungen Leser und Peter Alexander die ältere Generation mit einem „Ja zum Leben“ mobilisieren.

Die tschechische Regierung hat unterdessen eine für Mittwoch geplante Notfallübung in Tschechien auf März verlegt. Angeblich wegen des Wetters – tschechische Medien verbreiten jedoch, die Terminverschiebung habe mit dem Referendum zu tun.

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