: stilles gedenken
Es ist der Tag der Nelkenhändler: Die Blume, die es unter dem Jahr so gut wie nicht mehr zu kaufen gibt, erfährt an einem einzigen Tag ihre Renaissance: Mehrere zehntausend Menschen haben gestern an der Gedenkstätte Berlin-Friedrichsfelde der vor 83 Jahren ermordeten Arbeiterführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht und Unmengen roter Nelken niedergelegt. Der Gedenktag, der von der PDS seit 1990 als „offenes Angebot“ zum „stillen Gedenken“ organisiert wird, lockte in den letzten Jahren regelmäßig die altsozialistischen Massen. Der mehrstündige Gedenkmarsch gehört zu den größten Demonstrationen der Bundeshauptstadt. Spitzenpolitiker der PDS wie der designierte Wirtschaftssenator von Berlin, Gregor Gysi, und die Parteivorsitzende Gabriele Zimmer legten gestern zum Auftakt der Veranstaltung ebenfalls Kränze nieder. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gründeten als einstige Sozialdemokraten 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), wurden aber schon zwei Wochen später am 15. Januar 1919 von Freikorpssoldaten umgebracht. War der Gedenktag zu DDR-Zeiten zum Ritual erstarrt, ist er heute „Ehemaligen-Treffen“: Nach dem Niederlegen der Nelken wird auf dem Vorplatz der Gedenkstätte beim FDJ-Chor mitgesungen, gemeinsam Erbsensuppe gegessen und der alten Zeiten gedacht. Die Frage ist nur, welcher Zeiten. ANNFOTO: REUTERS
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