„Es werden sich viele wundern“

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) rechnet mit scharfem Wahlkampf – sieht aber Zuwanderung nicht als zentrales Thema. Stoiber betreibe Politik der Mitte: „Zerrbilder werden zerreißen“

taz: Wie geht’s Frau Merkel?

Roland Koch: Gut, soweit ich das sehen konnte. Frau Merkel hat das ganz prima durchgezogen, das wird ihr in der Partei auch Respekt einbringen. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass sie in einigen Wochen im Urteil der Medien stärker dastehen dürfte als zuvor und nicht schwächer.

Was für eine Art von Wahlkampf bedeutet die Entscheidung für Edmund Stoiber?

Was die Themen angeht, wird sich meiner Ansicht nach nicht viel ändern: Wirtschaftspolitik, die innere Sicherheit, die Bildungs- und die Familienpolitik rangieren da ganz vorne. Aber jeder Kandidat hat seinen eigenen Stil und da muss man sicher noch vieles miteinander diskutieren. Jemand, der seine Wirkung auf Bayern konzentrieren konnte, wird manches an seinen Aktivitäten verändern, wenn er in der ganzen Bundesrepublik antritt. Und dann werden wir sehen, was im heißen Wahlkampf das wichtigste Thema ist. Das wage ich nicht zu prognostizieren.

Sie sind in Hessen mit einem sehr provokativen Wahlkampf Ministerpräsident geworden. Ist das eine Empfehlung, die Sie auch Ihrem Kollegen aus Bayern geben würden?

Das kommt immer auf die Situation an. Vor der Landtagswahl hat Rot-Grün die Bevölkerung provoziert. Wenn also wieder eine Stimmungslage da sein sollte, so dass sich die Bevölkerung durch ein bestimmtes Thema herausgefordert fühlt, dann muss die Union das aufgreifen. Wenn es die Stimmung so nicht gibt, kann Politik sie nicht selber schaffen. Aber es wird ganz sicher viel Unsicherheit, Aufregung und Ärger geben bis zum September – was an der schlechten Politik der Bundesregierung liegt. Denken Sie nur an die Gesundheitspolitik und die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

Wird das Thema Zuwanderung zu den zentralen Angriffspunkten der Union gehören?

Wahrscheinlich wird es zu den Wahlkampfthemen gehören. Aber im Verhältnis etwa zu den großen Fragen der Wirtschaftspolitik wird es sicherlich nicht die dominante Rolle einnehmen, die es im hessischen Wahlkampf mal gespielt hat.

Wenn der Kandidat Stoiber über den Kanzler Schröder siegen will, muss er die Stimmen der Mitte gewinnen. Rechnen Sie damit, dass sein Wahlkampf liberaler ausfallen wird als öffentlich erwartet?

Es werden sich viele noch wundern. Wer über so viele Jahre die absolute Mehrheit in Bayern quer durch das Land hat, muss eine Politik der Mitte machen. Die Zerrbilder, die über Edmund Stoiber manchmal verbreitet werden, dürften ziemlich schnell zerreißen.

Was bedeutet die Kanzlerkandidatur von Herrn Stoiber für einen möglichen Kanzlerkandidaten Roland Koch im Jahr 2006?

Da Edmund Stoiber 2002 gewinnen wird, sehe ich überhaupt keinen Grund, dass er schon 2006 über einen Wechsel nachdenken sollte.

INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ