piwik no script img

Kurs Kandahar

Allgemeines Aufatmen: Das ZDF-Großprojekt „Die Affäre Semmeling“ ist nun vorbei. Der siebte Teil war am besten

Vielleicht hätte es ja zu denken geben müssen, das ausgerechnet Oskar Lafontaine via Hörzu den „Semmelings“ Reverenz erwies: „Es geht in der Politik zu wie in jedem Karnevals- oder Kaninchenzuchtverein“, beschied der Linksschläger der SPD der Hörzu, bevor er zum nächsten „Christiansen“-Auftritt reiste.

„Die Affäre Semmeling“ ist vorbei, doch die teuerste ZDF-Produktion der Welt wird noch einige Zeit bei uns bleiben. Dabei war sie recht eigentlich kein TV-Ereignis, sondern eher eine noch hochglänzendere Version der „Klinik unter Palmen“, mit einem noch gewichtigeren Halbdutzend deutscher Fernsehgrößen von Mario Adorf bis Jürgen Tarrach. Die Quoten, nein, sie waren bestenfalls Durchschnitt, der Plot zwar ordentlich, aber nicht durch und durch packend, schon gar nicht für sechs lange Abende. Und so will man allseits Abschied nehmen vom Sechsteiler – beim ZDF wie bei Regisseur und Autor Dieter Wedel.

Doch wahrscheinlich liegt es gar nicht an der magischen Zahl 6, der Altmeister familiärer Verstrickungen hatte vielmehr mit seinem „König von St. Pauli“ (5 Teile, 1997) schon selbst bewiesen, dass die Zeiten eines „Großen Bellheim“ (4 Teile, 1993) im deutschen Fernsehen längst vorüber sind.

Mangels Alternative wurde Wedel also selbst zum eigentlichen TV-Event. Von seinen zahlreichen Gegnern gnadenlos mit Häme bekübelt, hatte er vermutlich grandiosen Spaß dabei und nimmt nun ungestört Kurs von Hamburg auf den Hindukusch: Laut Kölner Express jedenfalls will Wedel Ussama Bin Ladens Al-Qaida-Netzwerk demnächst zu Leibe rücken.

Dem ZDF ist hoch anzurechnen, dass es sich neben dem fiktionalen Großauftrag immerhin auch noch eine kleine, feine Doku bewilligte, die versuchte, diesem Phänomen näher zu kommen: Sandra Maischbergers selbstentlarvendes „Dr. Wedel und Mr. Hyde“, der nicht vorgesehene siebte Teil der „Semmelings“, war der eigentliche Höhepunkt dieser TV-Affäre. Eigentlich unverzeihlich, dass er schon nach der vierten Folge lief. STG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen