Attentate vom laufenden Band

Australischer Sender zeigt mutmaßliches Al-Qaida-Trainingsvideo für Geiselnahmen und Anschläge. In Singapur führt ein Video mit Anschlagsplanungen die Behörden auf angebliche Al-Qaida-Zellen. 13 Personen ohne Prozess für zwei Jahre inhaftiert

von SVEN HANSEN

Aus Afghanistan stammende Videos mit Vorbereitungen für neue Terroranschläge sind jetzt in Australien und Singapur veröffentlicht worden. Sie werden der Terrororganisation al-Qaida von Ussama Bin Laden zugeschrieben. Der australische Sender ABC zeigte in der Nacht zum Sonntag Ausschnitte aus über sechsstündigem Videomaterial, das Trainings für Geiselnahmen, Attentate auf eine Fahrzeugkolonne sowie auf Staatschefs bei einem Golfturnier zeigt.

Die Bänder wurden nach Angaben des Senders ungesehen seinem Kabul-Korrespondenten Eric Campbell von einem Veteranen einer US-Spezialeinheit übergeben, der jetzt afghanische Militärs ausbildet. Nach Angaben des Veteranen J. K. Adena seien die Videos im November von Angehörigen der Nordallianz in einer Schule im Dorf Mir Bachakot 25 Kilometer nördlich von Kabul gefunden worden, wo al-Qaida ein Trainingscamp unterhalten habe. Dort seien auch Anleitungen zum Bombenbau und Notizen über die „Bestrafung von Ungläubigen“ gefunden worden. Laut Campbell seien die Videos vermutlich im März oder April gedreht worden. Die körnigen Amateuraufnahmen zeigen arabische, pakistanische und afrikanische Al-Qaida-Kämpfer, die ein Auto anhalten, Gebäude stürmen, ein Fahrzeug sprengen oder eine Hinrichtung proben.

In einer Szene, die laut ABC an den Straßenverlauf der US-Hauptstadt Washington erinnert, wird ein Attentat auf eine Fahrzeugkolonne geprobt. In einem Entführungsszenario sprechen Geiseln und Geiselnehmer miteinander englisch. Bei einem Mordanschlag auf ein Golfturnier mit westlichen Politikern verstecken die Attentäter ihre Waffen in Golftaschen und führen den Anschlag dann mit einem Raketenwerfer durch. Laut ABC stellen die Bänder die umfassendste Aufname von Al-Qaida-Trainings dar. Der Sender will jetzt die Videos dem US-Geheimdienst CIA übergeben.

Am Freitag hatte auch die Regierung Singapurs ein mutmaßliches Al-Qaida-Video gezeigt, in dem Anschlagsziele im südostasiatischen Stadtstaat und ein mögliches Attentat auf US-Soldaten mittels per Fahrrad transportiertem Sprengstoff beschrieben wurden. Das Video war laut Regierung im November in Afghanistan im Haus eines Al-Quaida-Führers gefunden worden. Nähere Angaben machte die Regierung nicht.

Die Aufnahmen führten aber in Singapur zur Verhaftung von 15 Personen bereits im September, wie erst vergangene Woche bekannt wurde. Zwei Verhaftete sind inzwischen wieder frei, die anderen 13 – zwölf Einheimische und ein Malaysier – wurden nach Regierungsangaben mittlerweile für zwei Jahre inhaftiert. Singapurs internes Sicherheitsgesetz ermöglicht dies ohne Prozess.

Laut Regierung hätten die 13 Inhaftierten drei Al-Qaida-Zellen in Singapur angehört, die mit anderen Zellen in Malaysia und Indonesien in Verbindung gestanden hätten. Die Verhafteten hätten Anschläge auf die Botschaften der USA, Großbritanniens, Israels und Australiens in Singapur sowie auf dortige Vertreter von US-Konzernen geplant. Bei einem Verhafteten sei eine Liste mit 200 US-Firmenvertretern gefunden worden, von denen drei markiert gewesen seien. Laut Regierung seien die Verhafteten im Stadtstaat berufstätig gewesen und hätten ein unbescholtenes Leben geführt. Sie seien bisher nicht als Extremisten aufgefallen. Acht von ihnen hätten jedoch in den vergangenen Jahren an militärischen Trainings in Afghanistan teilgenommen, was sie nach außen als Teilnahme an religiösen Kursen in Pakistan oder als Pilgerreise nach Mekka getarnt hätten.

Für Singapurs Bevölkerung sind die Verhaftungen ein Schock. Der wohlhabende multikulturelle Stadtstaat mit seiner von oben erzwungenen Friedhofsruhe kennt keine politische Gewalt. Umso überraschter sind die an umfassende Überwachung gewöhnten Bewohner, dass mitten unter ihnen seit 1997 Planungen für Anschläge gemacht worden sein sollen.