piwik no script img

Studis als Stoibers fünfte Kolonne

Zwei Studentenverbände starten Kampagne gegen Rot-Grün, weil Schröder und Bulmahn das Verbot von Studiengebühren immer noch nicht beschlossen haben. Pech ist nur: Stoiber und Westerwelle sind erklärte Befürworter des Bezahlstudiums

von CHRISTIAN FÜLLER

Wenn enttäuschte Liebe in Hass umschlägt, wird es bisweilen kurios. Zwei Studentenverbände haben gestern angekündigt, eine Kampagne gegen Rot-Grün zu starten – weil die Bundesregierung kein Verbot von Studiengebühren zustande gebracht hat. Die Studierenden spielen damit die fünfte Kolonne für zwei erklärte Gebührenfans: für den Kanzlerkandidaten der Union Edmund Stoiber sowie den selbsterklärten Bildungsvizekanzler Guido Westerwelle (FDP). „Irgendwann reißt jeder Geduldsfaden“, so die Studis.

Die Studierenden des „freien zusammenschlusses von studierendenschaften“ (fzs) und des „Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren“ (ABS) werden ab sofort Anti-Schröder-Plakate kleben. Auf den – zunächst – 2.000 Plakaten sind der Kanzler (Version SPD) beziehungsweise Rezzo Schlauch (Version Grüne) zu sehen: „Studiengebühren könnt auch Ihr Euch nicht leisten“, ist darunter zu lesen (www.gute-bildung.de/rot-gruen).

Die Studierenden sind mächtig enttäuscht, dass SPD und Grüne 1998 mit einem Studiengebührenverbot auf die Stimmen von 1,8 Millionen Studierenden zielten – dieses Verbot aber nach der Wahl nicht umgesetzt haben. Tatsächlich bemühte sich Schröders Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) um ein gesetzlich garantiertes gebührenfreies Studium. Sie scheiterte aber über drei Jahre hinweg am Widerstand der Länder. „Rot-Grün hat das Thema nur aufgegriffen, um die Stimmen der Studenten zu fangen“, sagt Kerstin Puschke vom fzs heute zur 98er-Strategie von SPD und Grünen.

Bildungsministerin Bulmahn reagierte gestern vergnügt auf die Ankündigung. „Ich freue mich, dass die Studierenden so kreativ sind“, kommentierte sie gegenüber der taz die Poster, die in den nächsten Tagen in ausgewählten Universitäten aushängen sollen. Bulmahn versprach dennoch erneut, das Thema anzupacken. Sie werde in der neuesten Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG) eine Formulierung einbringen, „die eine angemessene Zeit des Erststudiums gebührenfrei halten wird“. Das erneuerte HRG soll noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden.

Die harten Gebührengegner unter den Studierenden wird auch das neue HRG – sollte es überhaupt noch zustande kommen – nicht zufrieden stellen. fzs und ABS lehnen jede Form von Bezahlstudium ab, auch die Studienkonten, die Bulmahn sowie die SPD-LänderbildungsministerInnen Zöllner (Rheinland-Pfalz), Behler (NRW) und Oppermann (Niedersachsen) favorisieren. Studienkonten gewähren zwischen 14 und 18 kostenlose Studiensemester – und erheben danach Gebühren von rund eintausend Euro pro Jahr.

Die Frage ist, wie viele von den unorganisierten Studierenden die kompromisslose Position des fzs teilen. Formell steht er für 850.000 Studierende. An den Wahlen zu den Studentenvertretungen, die den fzs bilden, nehmen in der Regel aber nur rund fünfzehn Prozent der Eingeschriebenen teil. Möglicherweise finden Studierende die Bundestagswahlen im September ja spannender.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen