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Kabila-Kult im Kongo

Ein Jahr nach seiner Ermordung wird Laurent Kabila zum Nationalhelden stilisiert. Das hilft seinem Sohn und Nachfolger

aus Kinshasa KLAUS WERNER

Vor den Toren des Nationalpalasts patrouilliert eine Gruppe uniformierter Jugendlicher mit lässig geschulterten Sturmgewehren. Dahinter hämmern Arbeiter an einer monströsen Skulptur aus Beton und Stahl. Bis Mittwoch soll das in realsozialistischer Ästhetik konstruierte Mausoleum für Laurent-Désiré Kabila fertig sein, der am 16. Januar 2001 einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Nun, zum ersten Jahrestag, ist die Bevölkerung Kinshasas aufgerufen, dem Befreier der Demokratischen Republik Kongo zu huldigen, dem „Einheits- und Friedensstifter“, dem „Urheber von Versöhnung und Wohlstand“. Diese und andere schmeichelhafte Attribute findet man auf riesigen Plakaten an jeder zweiten Straßenecke unter dem feisten Gesicht des verschiedenen Präsidenten, der wie ein großer Bruder aus dem Jenseits auf die Bewohner der Hauptstadt herabblickt.

Zum Jahrestag des Mordanschlags erreicht der Kult um Kabila, der nach dessen Machtübernahme 1997 schon zu seinen Lebzeiten beängstigende Ausmaße angenommen hatte, einen posthumen Höhepunkt. Medien und Bildungseinrichtungen sind aufgerufen, das Leben des ehemaligen Buschrebellen bis ins letzte Detail in Erinnerung zu rufen. Im Staatsfernsehen RTNC schildern Kampfgefährten anschaulich Kabilas Heldentaten und erzählen Anekdoten über seine asketischen Ernährungsgewohnheiten in den Zeiten der Rebellion.

Kabila sei ein einfacher Mann gewesen, habe die Sprache des Volkes gesprochen und jedermann habe sein Gehör gefunden, meint auch ein Taxifahrer in Kinshasa. „Deshalb war es für die Amerikaner auch so leicht, an ihn ranzukommen und ihn zu erschießen.“ Die Amerikaner? „Sicher waren es die Amerikaner. Kabila war der Einzige, der sich den amerikanischen Rohstoffinteressen im Kongo widersetzt hat. Deshalb haben sie ihn umgebracht. Und seinen Sohn installiert, der genau das macht, was der Westen will.“

Joseph Kabila, Sohn und Nachfolger des meist undiplomatisch agierenden Laurent-Désiré, hat das Land tatsächlich ein gutes Stück aus der Isolation geführt, die Wirtschaft liberalisiert und die Auslandskontakte intensiviert. Der kongolesische Franc konnte stabilisiert werden – auf Kosten der Beamten und Militärangehörigen, die angeblich seit zwei Monaten keinen Lohn mehr erhalten haben, was unter anderem zu einem rapiden Ansteigen von Gewalttaten in der Hauptstadt geführt hat. Dafür erntet Kabila junior international Lorbeeren, in Kinshasa aber Skepsis – allerdings kaum offene Ablehnung. „Joseph Kabila ist nicht korrupt wie die anderen Politiker, aber er ist unerfahren und nicht besonders intelligent“, urteilt ein Geschäftsmann. „Er ist eine Marionette der Ausländer.“

„Der junge Kabila hat schnell gelernt, wie man sich auf dem internationalen Parkett bewegt“, widerspricht Modeste Mutinga, Chefredakteur der unabhängigen Zeitung Le Potentiel. „Die Leute legen es ihm als Mangel an Charisma aus, dass er nicht so autokratisch agiert wie sein Vater.“ Damit die staatliche Autorität dennoch erhalten bleibt, muss eben Kabila der Ältere als Identifikationsfigur herhalten – neben dem Nationalhelden Patrice Lumumba. Lumumba war der erste Ministerpräsident des unabhängigen Kongo. Am 17. Januar 1961 wurde er ermordet, weil er es sich mit den ehemaligen belgischen Kolonialherren verscherzt hatte. Dass nun ausgerechnet in der Woche der Todestage von Kabila und Lumumba die kongolesische Opposition auf Einladung des belgischen Außenministers in Brüssel zusammenkommt, um den innerkongolesischen Dialog vorzubereiten, empfinden manche als Affront.

In Kinshasa glaubt ohnehin kaum jemand, dass der Dialog zum Frieden führen könne. „Dieser Krieg wird von Ausländern geführt und finanziert. Wie sollen dann wir Kongolesen ihn beenden können?“, fragt ein Student aus der rohstoffreichen Region Katanga, die großenteils von ruandischen Truppen besetzt ist. „Und die Ruander werden vom Westen finanziert, damit amerikanische und europäische Unternehmen dort unsere Ressourcen plündern können.“

Der Pastor einer der zahlreichen christlichen Auferstehungskirchen, die in der völlig verarmten 10-Millionen-Einwohnerstadt Kinshasa wie Pilze aus dem Boden schießen, schimpft sogar von der Kanzel auf die Amerikaner und die Ruander, die in erster Linie schuld am Elend der Kongolesen seien. Im Gespräch nach dem Gottesdienst wird er noch deutlicher: „Die Ruander und die Amerikaner, aber auch viele unserer eigenen Politiker sind vom Satan gesandt. Ich kann gut verstehen, warum unsere Leute einen solchen Hass entwickeln.“ Wie groß dieser Hass ist, demonstriert der Chauffeur des Pastors, der sich offen als Sympathisant Ussama Bin Ladens bekennt. Der Mann ist nicht allein in Kinshasa. Der Name einer beliebten Bar lautet „Chez Bin Laden“. Der Journalist Mutinga interpretiert die Popularität des Topterroristen so: „Die Leute flüchten aus ihrem Elend in den Glauben. Und da sehen sie vielleicht auch Bin Laden als Erlöser. Doch kein Kongolese würde sein Leben aufs Spiel setzen, um Terrorist zu werden.“ An einigen Stellen der Stadt hängen Fotos von Bin Laden zwischen vergilbten Familienbildern. Unter den Plakaten mit Laurent Kabila, der Frieden und Wohlstand verspricht, sind sie kaum auszumachen.

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