: Der Taxibär
„44 33 22 – Bärchenfunk eilt gleich herbei!“: Bärenmama, Bärenpapa, Bärenopa und Bärenkinder machen Urlaub und suchen ihr Bärenglück auf den Bärmudas. Wären sie mit der BärVG gefahren, dann wäre es ihnen vielleicht etwas besser ergangen
von ULI HANNEMANN
Es ist vier Uhr morgens. Die Bärenmama hat hart gekochte Eier eingewickelt und die Koffer fertig gepackt. Dann weckt sie das Bärchen, den Bärenpapa und den Bärenopa. Bärenopa ist am schwierigsten, weil er gestern noch bis ganz spät in seiner Laube in der Kolonie „Bärenglück“ war und sehr viel Honigwein geschleckt hat.
„Oje“, sagt der Bärenpapa, „wie kommen wir denn jetzt zum Bärchenflughafen – so früh fährt die BärVG doch gar nicht!“ „Mit dem Taxibären“, sagt die Bärenmama, „der neue Bärchenfunk mit der tollen Werbung“, und trällert: „44 33 22 – Bärchenfunk eilt gleich herbei!“ Sie ist sehr gut gelaunt: Kein Wunder – die Bärenfamilie fliegt heute für zwei Wochen auf die Bärmudas! Die Bärenmama ruft beim Bärchenfunk an. Eine nette Bärenfrau brummt, ob sie denn nie in Ruhe schlafen kann, schickt dann aber wohl doch ein Taxi, denn nur zwanzig Minuten später hört man lautes Türenschlagen und böses Brummen von der Straße. Als die Bärenfamilie mit dem Gepäck auf die Straße eilt, sitzt der Taxibär schon wieder hinter dem Lenkrad und brummt ungeduldig. Mit den Türen hat er nur geschlagen, damit die Nachbarn aufwachen. Als der Bärenpapa endlich den Knopf für den Kofferraum gefunden hat, verstaut er das Gepäck, und los geht’s. „Zum Bärchenflughafen, bitte“, sagt die Bärenmama. „Zum Bärchenflughafen?“, brummt der Taxibär böse, „das kostet ja höchstens vierzig Bärenmarken – das ist eine ganz schlechte Tour.“
Jetzt sind alle still, während der Taxibär ganz laut Truckermusik hört und zwischendurch immer wieder Werbung: „44 33 22 – Bärchenfunk eilt gleich herbei!“. Er fährt sehr ruppig und sehr falsch, sodass der Bärenpapa sagt: „Wir wollen aber bitte schön zum Bärchenflughafen – nicht nach Wannsee!“ Ganz gut gelaunt sagt er das, weil schließlich fliegen sie ja gleich auf die Bärmudas. Oh weh, Bärenpapa – das hättest du nicht sagen dürfen, das hören Taxibären gar nicht gerne! Der Taxibär tritt auf die Bremse, dass es quietscht und alle mit den Schnauzen gegen die Kopfstützen und die Windschutzscheibe fliegen. „Hilfe, dringend!“, brüllt der Taxibär in sein Mikrofon, als würde er abgestochen: „Baerwald Ecke Urban – ich werde angegriffen!!“
Sofort kommen von allen Seiten Taxis, und wütend brummend springen die Taxibären heraus und reißen bei dem Taxi mit der Bärenfamilie die Türen auf. „Der war’s“, zeigt der Taxibär auf den Bärenpapa, und die anderen Taxibären ziehen ihn aus dem Wagen und knüppeln ihn zusammen. Als der Taxibär weiterfährt, bleibt der Bärenpapa blutend im Rinnstein liegen. Er ist nicht mehr transportfähig.
„Sie haben Glück, dass ich Sie weiterfahre“, brummt der Taxibär, „normalerweise mache ich das nicht.“ Er fährt jetzt noch ruppiger. Dem Bärenopa wird ganz schlecht: Er bittet den Taxibären anzuhalten. „Nichts da“, sagt der Taxibär, „ich habe mit Ihnen schon genug Zeit verloren.“ Da muss der Bärenopa ganz doll spucken – der gute Honigwein! Und wieder macht der Taxibär eine Vollbremsung, sodass die Schnauze der Bärenmama, die vorne sitzt, ein zweites Mal bricht. Der Taxibär zerrt den Bärenopa grob vom Rücksitz, zieht ihm für die Reinigungskosten die Brieftasche aus der Hose und stößt ihn ins Gebüsch. Dort stirbt er.
Als sie weiterfahren, weint die Bärenmama. Blut und Tränen rinnen ihr über das Gesicht, während der Taxibär fachmännisch ihr Knie befingert. „44 33 22 – Bärchenfunk eilt gleich herbei“, brummt er vergnügt. Dann sind sie endlich am Bärchenflughafen, und der Taxibär verlangt achtzig Bärenmarken. Die Bärenmama gibt ihm hundert, und er behält ungefragt den Rest. Weil die Bärenmama so geschockt ist, muss das kleine Bärchen ganz alleine die schweren Koffer aus dem Kofferraum holen. Das dauert zu lange, und der ungeduldige Taxibär gibt ihm eine schallende Ohrfeige. Dann brummt er fröhlich davon. Jetzt hat die kleine Bärenfamilie den Urlaub aber so richtig nötig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen