piwik no script img

Letztes Abenteuer Bahnfahrt

Nach immer neuen Pannen will die britische Regierung die Eisenbahn sanieren. Angeblich hat die WestLB Interesse an einer Übernahme des Schienennetzbetreibers

„Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit? Vergesst es.“

DUBLIN taz ■ Bahnreisen sind eins der letzten Abenteuer in Großbritannien. Zugreisende wissen nie, wann sie ankommen – und ob sie überhaupt ankommen. Seit der Privatisierung von British Rail Mitte der Neunzigerjahre ist das Schienennetz ausgedünnt worden, die Züge sind verspätet oder fallen ganz aus. Allein 2001 stieg die Zahl der Verspätungen bei einem der größten Bahnunternehmen, South West Trains, um 275 Prozent.

Mit erheblicher Verspätung reagierte auch die Labour-Regierung auf die Krise. Am Montag legte sie einen Finanzplan vor, der aus der maroden Eisenbahn bis 2010 ein „Transportsystem für das 21. Jahrhundert“ machen soll. 67,5 Milliarden Pfund will man investieren. Gut die Hälfte davon soll allerdings durch private Investitionen aufgebracht werden. Doch Investoren stehen nicht gerade Schlange, zumal die Zukunft von Railtrack ungewiss ist. Das Unternehmen ist seit der Bahnprivatisierung für das Schienennetz zuständig. Die Financial Times Deutschland berichtete, dass die WestLB der britischen Regierung ein Übernahmeangebot für das konkursreife Unternehmen gemacht habe. Demnach will das Kreditinstitut ein neues Management anbieten, das Railtrack innerhalb von drei bis fünf Jahren umstrukturieren soll, bevor das Unternehmen wieder an den Staat zurückgegeben wird.

Die britische Regierung hat im vorigen Monat den 35-jährigen Richard Bowker von Virgin Rail losgeeist und ihn zum Chef der Strategischen Eisenbahnbehörde gemacht. Der Finanzplan stammt jedoch noch von seinem Vorgänger Alastair Morton. Er sieht unter anderem vor, dass die 30 Jahre alten Waggons im Südwesten Englands bis zum Jahr 2004 durch 1.700 neue ersetzt werden, tausend Bahnhöfe sollen modernisiert und mit Warteräumen sowie Toiletten ausgestattet werden. Bis Ende nächsten Jahres wird ein Sicherheitssystem installiert, das Züge automatisch stoppt, wenn sie ein rotes Signal überfahren.

Endlich wird auch die Eurostar-Strecke zwischen London und dem Kanaltunnel gebaut, wodurch die Reisezeit nach Brüssel und Paris um eine halbe Stunde verkürzt wird. Bisher zuckelt der Hochgeschwindigkeitszug im Schneckentempo von London an die Küste, bevor er in Frankreich dann auf mehr als 300 km/h beschleunigen kann.

Einer der wichtigster Punkte ist für Bowker die Einrichtung einer Nationalen Eisenbahnakademie, um den Mangel an qualifiziertem Personal zu beheben. Die 25 Unternehmen, die sich das Eisenbahnnetz nach der Privatisierung untereinander aufteilten, hatten zunächst Tausende von Angestellten entlassen, um die Profite zu sichern. Dann merkten sie, dass man Lokomotivführer braucht, um eine Eisenbahn zu betreiben.

Darüber hinaus will Bowker die Zahl der Bahnunternehmen auf eine Handvoll reduzieren. Der Wettbewerb, der sich zugunsten der Passagiere auswirken sollte, ist nämlich nie zustande gekommen. Die Unternehmen kamen sich gegenseitig nicht in die Quere und waren hauptsächlich damit beschäftigt, Subventionen zu kassieren und damit einen rudimentären Service zu finanzieren.

Ob die Regierungspläne die Bahn auf Vordermann bringen, ist zweifelhaft. Kritiker weisen darauf hin, dass die Regierung nicht etwa neues Geld für die Bahn locker macht, sondern den Transporthaushalt lediglich umschichtet. Aus welchem Topf das zusätzliche Geld für die Bahn abgezogen wird, sagte die Regierung nicht, doch die Autolobby beschwerte sich bereits, dass es wohl dem Straßenbau abgehe.

Der Bahnanalyst Keith Harper bezeichnete die Regierungspläne als reine „kosmetische Übung“. Werden die Passagiere, so fragt Harper, bald in den Genuss von Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit kommen? Er beantwortet seine Frage: „Vergesst es.“ RALF SOTSCHECK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen