: Guerillaschreck
Der Ausnahmejournalist stellte unbequeme Fragen – und half El Salvadors FMLN wie kaum ein anderer
SAN SALVADOR taz ■ Klaus-Dieter Tangermann hat ein neues Kapitel in der Geschichte des Journalismus geschrieben: Er hat es geschafft, die traditionelle Trennlinie zwischen Journalismus und politischem Aktivismus zu überwinden, ohne auch nur im Mindesten die zerbrechliche und wertvolle Ethik dieses Berufes aufzugeben.
Als Mitglied der Generalkommandantur der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) habe ich Klaus-Dieter 1980 kennen gelernt, als er Interviews mit den Comandantes der fünf Guerillagruppen führte, die wir dabei waren, uns als FMLN zu vereinen und der Militärdiktatur El Salvadors den Krieg zu erklären. Mich haben viele interviewt – aber wenige mit der Professionalität, der kritischen Distanz, der Rigorosität von Klaus-Dieter Tangermann. Er war, ohne jeden Zweifel, jemand, der mit unserer Sache sympathisierte. Aber vor allem war er ein Mensch, der hinter den revolutionären Manifesten und der Propaganda die Wahrheit suchte, die Analyse, die kritische Auseinanderetzung.
Ein Jahr später habe ich Klaus-Dieter wieder gesehen. Diesmal kam er in Begleitung eines anderen deutschen Compañero nach Zentralamerika, um der Generalkommandantur mehr als eine halbe Million Dollar zu übergeben, die mit der Kampagne „Waffen für El Salvador“ gesammelt worden waren. Das war ein historischer Moment: Eine Zeitung, die taz, hatte sich entschieden, ganz offen eine Kampagne zu beginnen, um einer Aufstandsbewegung Waffen zu finanzieren.
Aber das wirklich Unglaubliche an dieser Geschichte war Folgendes: Während der andere Compañero, der zur Geldübergabe gekommen war, sich entschloss, zu bleiben und Guerillero zu werden, schaffte Klaus-Dieter das Unmögliche: Er förderte über Jahre hinweg die Kampagne „Waffen für El Salvador“ und blieb doch weiterhin ein verantwortungsvoller, kritischer und unantastbar professioneller Journalist. Ich war, wie fast alle Protagonisten des salvadorianischen Konfliktes, Opfer seiner rigorosen, kritischen Interviews.
Als führender Vertreteter der FMLN möchte ich Klaus-Dieter Tangermann meinen Respekt und meine Dankbarkeit ausdrücken. Dank solch außergewöhnlicher Freunde wie ihm haben wir die Militärdiktatur überwinden und den Übergang zur Demokratie schaffen können.
SCHAFIK JORGE HÁNDAL
Der Autor war Generalsekretär der Kommunistischen Partei El Salvadors, die sich 1980 der FMLN-Guerilla anschloss. Heute ist er Parlamentsabgeordneter der FMLN.
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