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Ausländer gut für Jobmarkt

Auch der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Jagoda, verteidigt das rot-grüne Zuwanderungsgesetz: „Solide Sache“. Stoiber schließt Einigung nicht aus

Nun kommt es darauf an, wie sich Stoiber entscheidet – und ob ihm die CDU folgt

BERLIN taz ■ Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ute Vogt (SPD), war zufrieden. Die erste große Expertenanhörung zum geplanten Zuwanderungsgesetz habe gezeigt, dass es „Zustimmung aus allen Teilen der Bevölkerung“ gebe, sagte Vogt gestern am Rande der ganztägigen Ausschusssitzung. Für fast schon diebische Freude bei der SPD sorgte vor allem der Auftritt von Bernhard Jagoda. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit verteidigte das rot-grüne Gesetz vor dem Ausschuss als „solide Sache“ – und ärgerte damit seine CDU-Parteifreunde. Der Bevölkerungswissenschaftler Klaus Bade von der Universität Osnabrück ging noch weiter und nannte das Zuwanderungsgesetz „eine bahnbrechende Politikwende“. Doch auch Ute Vogt weiß natürlich: Entscheidend für das Schicksal des letzten rot-grünen Reformprojekts vor der Bundestagswahl sind nicht die Argumente der Experten – so massiv und engagiert sie gestern auch von Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften vertreten wurden.

„Die Frage ist nur noch“, räumte Vogt ein, ob es die Union „aus taktischen Gründen“ für ratsam hält, das Gesetz zu blockieren, oder ob sie sich doch noch zu einem Konsens mit der Bundesregierung durchringt. Die Entscheidung darüber dürfte in der Münchner CSU-Zentrale fallen. Deshalb hatte auch Exbundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) gestern in der taz direkt an Edmund Stoiber appelliert: „Ich kann nur hoffen, dass sich unser Kandidat dieser großen Verantwortung bewusst ist.“

Stoiber gab sich gestern als Sphinx von Bayern: „Das muss man sehen“, murmelte er in die Mikrofone, als er nach den Einigungschancen befragt wurde. Wer das als erste vorsichtige Bewegung hin zu einem Konsens bewerten wollte, wurde sogleich von Stoibers Berliner Statthalter Michael Glos enttäuscht. Eine Einigung sei nur möglich, sagte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, „wenn die Regierung den Entwurf von CDU und CSU ohne Punkt und Komma übernimmt“. Die Union fordert weitere Einschränkungen beim Asylrecht und eine „klare Begrenzung“ der Zuwanderung.

Stoiber selbst wies erneut die Forderungen der Wirtschaft zurück, die Union sollte dem Gesetz zustimmen, weil die Industrie ausländische Fachkräfte benötige. Bei 4,3 Millionen Arbeitslosen könne die Zuwanderung nicht ausgeweitet werden, so Stoiber in Wildbad Kreuth. Ist ihm einfach egal, dass der Chef der Bundesanstalt für Arbeit das Gegenteil sagt? Das Ziel des Abbaus der Arbeitslosigkeit stehe „nicht in Kollision mit den Zielen des Gesetzentwurfs“, betonte Jagoda in Berlin. „Auch aufgrund der demografischen Entwicklung“ erwarte er schon bald „wachsenden Fachkräftemangel“.

Bleibt Stoiber trotzdem bei seinem Nein, wird es spannend, ob ihm die CDU-Länder bei der Abstimmung im Bundesrat folgen werden. „Wir haben nie blockiert, wir werden nie blockieren“, versprach der saarländische Ministerpräsident Peter Müller gestern. „Nur geht es nicht um Konsens um jeden Preis.“ Über den Preis wird noch bis Anfang März verhandelt. LUKAS WALLRAFF

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