■ H.G. Hollein: Spieltrieb
Die Frau, mit der ich lebe, hat eine neue Leidenschaft. Er heißt Mario. Super Mario, um genau zu sein. Ich finde es ja ein bisschen degoutant, wenn eine Frau von 40plus mit zitternden Fingern und fiebrigen Augen nächtelang im Bett an etwas herumspielt, was mit der Bezeichnung „Analog-Stick“ behaftet ist. Ich weiß jetzt immerhin, weshalb der Freund der Schwester der Gefährtin zu Weihnachten mit beiläufiger Geste ein paar Kabel, diverse Kassetten, eine Konsole und zwei Steuerungsmodule in eine Tüte stopfte und uns beim Abschied selbige mit den Worten in die Hand drückte: „Braucht ihr nicht so schnell zurückzugeben.“ Der Mann hat einfach die innerpartnerschaftliche Notbremse gezogen. Statt seiner ist es nun an mir, mich zu entblöden – „Kannst du ja wohl mal machen!“ – und bei computerversierten Kollegen um Hinweise einzukommen, wie man Teufel nochmal die Kästchen mit den roten Federkappen öffnet oder den Wettlauf mit dem großen Kopha gewinnt. Auch die Gefährtin selbst – die ansonsten ein eher distanziertes Verhältnis zu Kindern hat – schreckt vor peinlichen Anbiederungsversuchen beim Nachwuchs von Freunden und Mitarbeiterinnen nicht zu zurück, sobald sie den leisesten Hauch puerilen Nintendo-Know Hows wittert. Ich bin mittlerweile geneigt, dieses würdelose Tun gutzuheißen, schließlich ist die nervliche Stabilität der Gefährtin nach dem achtzehnten Absturz des blau-roten Klempners in unendliche Tiefen nicht mehr die bes-te. Manchmal ist die Gefährtin so angegriffen, dass ich die Steuerung übernehmen muss. Das trägt allerdings eher selten zur Entspannung der Lage bei. Irgendwie gerät der gute Mario bei mir signifikant häufig auf kürzestem Wege in tiefe Wasser, wo ihm dann prompt die Luft ausgeht. Da hilft dann nur, unter der Bettdecke an die Gefährtin heranzukrabbeln, mit Marios Schlachtruf „It's me! Let's go!“ aufzutauchen und für Ablenkung zu sorgen.
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