: Kinder strahlen wie Sterne
■ Das Olbers-Planetarium feiert 50-jähriges Bestehen. Ein Blick in die Welt von ausgeknipsten Himmelskörpern, brüllenden Löwen und klebrigen Schokoriegeln
Bremens Sternenhimmel ist merkwürdig. Und lustig. Bollerwagen kann man dort sehen, brüllende Löwen und Sachen, die an klebrige Schokoriegel erinnern – oder was ist Mars sonst? Noch träumen die Kleinen vom St. Nikolai-Kindergarten unterm fiktiven Sternenhimmel im Planetarium – da geht dort schon wieder die „Sonne“ auf. Die Kinder reiben sich die Augen – und klatschen begeistert. Solche Veranstaltungen des Olbers-Planetariums der Bremer Hochschule sind beliebt.
18.208 kleine und große Menschen ließen sich im vergangenen Jahr auf einem der 35 blauen Polstersitze nieder, die in dem runden Raum von gerade mal sechs Metern Durchmesser stehen – und starrten in die Luft. In die vier Meter hohe Kuppel, auf der mittels Projektor der Sternenhimmel erscheint. Das Olbers-Institut – benannt nach Wilhelm Olbers (1758 - 1840) – ist das meistbesuchte Kleinplanetarium Deutschlands.
„Wir könnten ein größeres gebrauchen“, sagt Dieter Vornholz, der das Planetarium seit fast zwölf Jahren leitet. Seither beobachtet der 55-jährige Diplom-Physiker, der selbst Sterngucker ist, auch ein wachsendes Interesse an den Führungen – und reagiert darauf. Statt das Orientierungsvermögen von Grasmücken wie noch in den 50er Jahren zu untersuchen, zeigt man heute kosmische Katastrophen, erzählt Kindern von der Maus im Mond und veranstaltet simulierte Reisen zu Mars, Saturn und Pluto. Seit drei Jahren laufen auch am Wochenende Veranstaltungen im Planetarium. Bands spielen meditative Trance-Musik und andere experimentelle Sounds. Schräge Unterhaltungsshows runden das Programm ab.
33 Astronomie-Begeisterte arbeiten an diesem Programm mit. Es sind größtenteils SchülerInnen und StudentInnen, die als freie Planetariums-MitarbeiterInnen jobben. Sie erläutern nicht nur den Sternenhimmel der Saison, zeigen fremde Galaxien und schwarze Löcher, sie entwickeln auch neue Veranstaltungen. Durch Experimentieren mit den Projektoren und Computern entstehen immer wieder neue Ideen.
Eine aus dem Team ist die 18-jährige Alena Bach. Vor zwei Jahren machte sie ein freiwilliges Praktikum im Planetarium: „Astronomie hat mich schon immer interessiert“, sagt die 12-Klässlerin. „Außerdem arbeite ich unheimlich gerne mit Kindern.“ Wie alle anderen Mitarbeiter begann sie ihre Laufbahn mit Dia-Shows zu Geschichten wie „Peterchens Mondfahrt“ oder „Die Rettung der Sternenfee Mira“. Jetzt, wo sie die meisten Knöpfe des sperrigen Steuerpults kennt, leitet sie auch aufwendigere Kinderveranstaltungen wie „Ralphs Sternstunde“ (siehe auch Kasten).
Die Gründungzeiten des Olbers-Planetariums kennt Alena nur vom Hörensagen – als trockene Berichte aus den frühen Fünfziger Jahren, als öffentliche Führungen noch keine Rolle spielten. Stattdessen versuchten sich in der damaligen Bremer Seefahrtschule angehende Kapitäne in der Sternenkunde – um bei ihren Fahrten über die Weltmeere nicht die Orientierung zu verlieren. Das ist längst vorbei. „Die astronomische Navigation spielt in der Nautik keine Rolle mehr“, sagt Vornholz. „Schon seit Jahren helfen Satelliten den Seeleuten, Kurs zu halten.“ Deshalb lernt in der Werderstraße heute nur noch die Öffentlichkeit.
„Schüler aller Alterstufen besuchen das Planetarium“, sagt Bernhardt Arnold. Der leidenschaftliche Hobby-Astronom kümmert sich um die mehr als 200 Schulklassen und Kindergartengruppen, die jedes Jahr auch aus dem niedersächsischen Umland an die Weser kommen. Von Beruf ist er Lehrer für Mathe und Physik am Alten Gymnasium. Seine pädagogischen Kenntnisse fließen auch in die Führungen ein: „Könnt ihr denn schon alle zählen?“, geht Arnold mit der Stimme eines Märchenonkels auf die Kleinen des St. Nikolai-Kindergartens ein – um wenig später gemeinsam mit den Stöpseln herauszufinden, dass „der Bollerwagen“ (der große Wagen) aus sechs Sternen besteht.
Nacheinander knipst Arnold per Knopfdruck den Mars, den Mond und dann die anderen Sterne und Planeten aus. Wieder einmal geht die „Sonne“ über den Kleinen auf. Die, die nicht eingeschlafen sind, strahlen wie vorher die Sterne: „Das war voooll schön!“
Michél Dallaserra
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