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Das Aus für ein linkes Symbol

Verlierer Hans-Christian Ströbele ist eine zentrale Figur der bundesdeutschen Protestgeschichte

BERLIN taz ■ Frieder Otto Wolf, ehemals Europaabgeordneter, ist einer von denen, die einem bei einer Grünen-Versammlung als Oberlinke vorgestellt werden. Einer, der nicht klatscht, wenn eine Andrea Fischer sich um ein Bundestagsmandat bewirbt. Oder Werner Schulz am Mikro steht. Wolf klatscht erst, wenn ein Hans-Christian Ströbele nach vorne geht. Der Mann, der linke Grünenpolitik personifiziert. Der Friedenspolitiker. Der RAF-Verteidiger. Der taz-Mitgründer. Am späten Samstagnachmittag ging Wolf nach Hause und sagte, er wisse nicht, ob er noch Wahlkampf für die Grünen machen wird. Denn „der Christian“ wird nicht mehr in den Bundestag kommen, der am 22. September gewählt wird. Zumindest nicht über die Landesliste der Berliner Grünen.

Ströbele selbst sitzt erstarrt da nach der Entscheidung für Werner Schulz, mit Tränen in den Augen. Natürlich sei er enttäuscht, was sonst? Er nickt auf die Frage, ob das nun die Trendwende bei den Grünen ist. Wende wohin? Seine friedenspolitischen Positionen seien wohl nicht mehr gewünscht, zumindest nicht von einer Mehrheit im Landesverband. „Ich werde mich nicht ändern“, sagt er dann, fast trotzig.

Entspannt hatte er gewirkt, als er zur Mitgliederversammlung in den Saal kam: Jeans, weißes T-Shirt, verwaschen wirkendes blaues Hemd, dunkles Jackett, roter Schal, gebräuntes Gesicht. Ein Gruß hier, ein paar Worte da. Später wird er sagen, er sei nervös und aufgeregt. Aber da hatte er auch schon eine Rede hingelegt, zu der seine Landeschefin Michalik diplomatisch sagte, er habe nicht seinen besten Tag gehabt.

Und dann die Niederlage. 62 Jahre ist Ströbele inzwischen, fast die Hälfte davon hat er in der Öffentlichkeit verbracht, als Politiker, Rechtsanwalt, Widerständiger. Als RAF-Verteidiger wird er erstmals weithin wahrgenommen und angegriffen. Am 5. Juni 1975 wird er wegen des Verdachts der Konspiration mit den Mandanten mit anderen Wahlverteidigern vom RAF-Prozess in Stammheim ausgeschlossen. Da war er schon nicht mehr Mitglied der SPD, in die er 1970 eingetreten war.

Sein künftiges politisches Wirkungsfeld hat er selbst mit angelegt. „An der Gründung der Alternativen Liste war ich beteiligt, bin aber erst später in die Partei eingetreten“, schreibt er selbst. Er war Vorstandssprecher der Partei, auf Bundes- wie auf Landesebene, im Bundestag zum ersten Mal Mitte der 80er-Jahre, dann wieder seit 1998. Als Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Spendenaffäre war er im letzten Jahr dauerhaft bildschirmpräsent – nur noch übertroffen durch seine Rolle in der Debatte über den Afghanistan-Einsatz.

Er mag am Abend seiner Niederlage nicht sagen, ob er sich noch als Direktkandidat in seiner Hochburg Kreuzberg aufstellen lässt. 1994 fehlten ihm dort zum Direkterfolg nur knapp vier Prozentpunkte. Doch jetzt heißt der Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg und reicht weit über das grüne Kerngebiet in den roten Osten. Die Landesspitze sagt, sie werde mit ihm über die Kandidatur sprechen – und meint eigentlich, dass sie ihn bearbeiten wird. Sie braucht Ströbele, weil dem Landesverband sonst diejenigen wegzubrechen drohen, für die die grüne Partei Ströbele heißt, nicht Werner Schulz. Den Kreisverband sollte man mal lieber abhaken für den Wahlkampf, drohten schon Einzelne, mit Schulz könnten sie sich nicht auf die Straße trauen. Entscheiden will sich Ströbele heute, hieß es. Seine Kreuzberger Anhänger prophezeiten schon am Samstag: „Als Alibi stellt der sich nicht zur Verfügung.“ STEFAN ALBERTI

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