piwik no script img

Kleines Lehrstück für Europa

Amerikanische Farmer demonstrieren, was bei der Aussetzung genveränderter Pflanzen passieren kann: Wer auf manipuliertes Saatgut verzichtet, ist vor Verunreinigungen der eigenen Ernte nicht gefeit. Dann drohen Patentschutzklagen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Die Familienfarm von Gail und Tom Wiley in North Dakota würde sich als Kulisse für „Ein Schweinchen namens Babe“ eignen. Und die Wileys wirken nach ihrer Tournee durch Europa so rosig, als kämen sie vom Kühemelken. Die Geschichte, die sie heute vor der französischen Nationalversammlung ein letztes Mal erzählen, hat die Voraussetzungen für ein gutes Drehbuch. Leider fehlt das Happy End.

Die Wileys sind keine Ökobauern. Sie halten das Unkraut auf ihren Weizen-, Soja- und Maisfeldern mit chemischen Mitteln in Schach. Den Vertretern von Monsanto, Aventis und anderen Biotech-Firmen, die ihnen genverändertes Saatgut schmackhaft machen wollten, hörten sie immer aufmerksam zu. Die Aussicht, nur einmal pro Jahr Schädlingsbekämpfungsmittel sprühen zu müssen, da die Gentech-Pflanzen gegen das Breitband-Herbizid Roundup resistent sind, schien ihnen finanziell, ökologisch und von der Arbeitsersparnis her interessant. Die Wileys wussten aber, dass ihre Kunden gegenüber Gentech-Produkten skeptisch sind. Aus Angst, sich das Geschäft zu verderben, blieben sie beim traditionellen Anbau und engagierten sich im Dakota Resource Council für ein zweijähriges Moratorium bis zur Freisetzung weiterer gentechnisch veränderter Pflanzen. Das verfehlte die Mehrheit im Regionalparlament von North Dakota jedoch um zwei Stimmen.

Vielleicht hätten die Wileys ihren Ausflug in die Politik nach diesem Fehlschlag beendet. Dann aber stellten sie fest, dass ihre Soja-Lieferung, die zur Tofu-Produktion nach Japan verschifft werden sollte, zu 1,37 Prozent mit Gensoja von Nachbarfeldern verunreinigt war. Der Vertrag mit dem japanischen Zwischenhändler platzte, die Wileys verloren 11.000 US-Dollar.

So begann der Feldzug der Bauersleute gegen die Agroindustrie. Im Herbst berichtete Tom Wiley am Rand der WTO-Verhandlungen in Doha über seine Erfahrungen. Er begegnete dem Landwirt und Lokalpolitiker Percy Schmeiser, der im kanadischen Saskatchewan eine Rapsfarm betreibt. Seit mehr als vierzig Jahren veredelt Schmeiser sein Saatgut selbst und züchtet ertragreiche Rapssorten. Im Sommer 1997 entdeckte er zum ersten Mal Pflanzen auf seinen Feldern, die gegen das Monsanto-Herbizid Roundup resistent waren. Um zu verhindern, dass sein Raps mit Genpflanzen kontaminiert würde, verwendete er den Samen nicht. Im folgenden Jahr verklagte ihn Monsanto wegen Patentdiebstahl auf 400.000 Dollar Entschädigung – die werkseigenen Agenten hatten Pflanzenproben genommen und das Monsanto-Gen gefunden.

Der Fall Schmeiser machte Schlagzeilen – es war das erste Mal, dass ein Agrounternehmen Patentrechte vor Gericht durchzufechten versuchte. Im März 2001 das Urteil von Richter William McKay am kanadischen Bundesgericht: „Eine Patentverletzung ist gegeben, wenn der Kern einer Erfindung übernommen wird – ob absichtlich oder nicht, ist bedeutungslos.“

Inzwischen liegt der Fall beim Berufungsgericht. Schmeiser tourt mit seiner Geschichte, die der grüne Europaparlamentarier Paul Lannoye am Montag bei einer Anhörung in Brüssel als „völlig verrückt“ bezeichnete, um die Welt. Für die Europapolitiker kommt der Besuch der Monsanto-geschädigten Farmer zum rechten Zeitpunkt: Das EU-Moratorium zur Genfreisetzung soll Ende des Jahres auslaufen, eine Genfreisetzungsrichtlinie und Kennzeichnungsregeln für genveränderte Lebensmittel sind in Arbeit. Da laut jüngstem Eurobarometer noch immer 94,6 Prozent der EU-Bürger keine Gennahrung wollen, sollten die Politiker sich die Feld-Erfahrung aus Übersee zu Herzen nehmen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen