: Nicht immer hilft das Wohlwollen des Ministers
Sechsmal hat bisher ein Wirtschaftsminister das Kartellamt überstimmt. Die Erlaubnis zur MBB-Übernahme machte etwa Daimler selbst rückgängig
BERLIN taz ■ „Unsere Entscheidung wird von niemandem in Frage gestellt. Auch nicht von Werner Müller“. So kommentierte gestern Kartellamtssprecher Stefan Siebert die drohende Ministerentscheidung bei der Fusion von Ruhrgas und Eon. „Wir haben unsere wettbewerbsrechtlichen Bedenken dargelegt, aber Müllers Entscheidungsgrundlagen sind dem Kartellrecht übergeordnet – etwa die Versorgungssicherheit oder die Arbeitsplatzfrage.“ Sieht der Wirtschaftsminister ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ bedroht, kann er laut Gesetz das Kartellamt überstimmen. Vier Wochen verbleiben jetzt Eon, die Ministerentscheidung zu beantragen.
Insegesamt 16 Mal wurde seit 1973 eine solche Erlaubnis beantragt. Seitdem prüft nämlich das Kartellamt Fusionsvorhaben – bislang in etwa 30.000 Fällen. Prüfgrundlage ist hauptsächlich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). In 133 untersagten die Kartellwächter bislang die Fusion. Die letzten spektakulären Verbote stammen aus den 90er Jahren – gegen den Zusammenschluss der Baukonzerne Holzmann und Hochtief, sowie gegen die Zusammenarbeit von Bertelsmann und Kirch beim Pay-TV.
Tatsächlich haben Wirtschaftsminister aber bislang erst 11 Mal entschieden – die restlichen Anträge wurden zurückgezogen. In sechs Fällen überstimmten sie die Kartellwächter – etwa bei der Fusionen von Thyssen mit dem Werkzeugbauer Hütter-Hilbe oder bei der Textilmaschinenfusion zwischen Artos und Babcok in den 70er-Jahren. Zuletzt erlaubte 1989 FDP-Wirtschaftsminister Helmut Hausmann die Übernahme des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns MBB durch Daimler-Benz. Dies allerdings auch nur unter hohen Auflagen: MBB musste zuvor seine Beteiligungen am Panzerbauer Krauss-Maffei verkaufen und aus der Marinetechnik ganz aussteigen. Die damals oppositionelle SPD reagierte auf Hausmanns Erlaubnis mit Empörung und suchte sie gerichtlich zu verbieten. Ohne Erfolg.
Was brachte den Autobauern das Ministervotum? „AEG, Eisenbahnen, Büromaschinen – Daimler sah sich damals als integrierter Technologiekonzern“, urteilt Christian Breisprecher, Daimler-Analyst bei der DB-Research. Deshalb wollte der Konzern sich auch in der Luftfahrttechnologie besser positionieren. Eine falsche Entscheidung, urteilt der Analyst: „Statt Diversifikation zu betreiben, hätte sich Daimler lieber auf Automobile konzentrieren sollen“. Die Ministererlaubnis habe den Konzern nicht weiter gebracht. „Adtrans oder Dornier sind verkauft. Daimler hat sich auf seine Ressourchen konzentriert und Chrysler gekauft“.
Wie wechselhaft Ministererlaubnisse sein können, zeigt das aktuelle Beispiel. Schon zweimal überstimmten die zuständigen Minister ihre Kartellamtswächter und gestatteten den Verkauf der Gelsenberg AG: Eon-Vorgänger Veba kaufte sie auf diesem Weg 1974, um Gelsenberg dank Ministergenehmigung dann 1979 an den Mineralölkonzern BP weiter zu verkaufen. Jetzt möchte Eon Gelsenberg gern zurück. Die AG hält nämlich jene Anteile an Ruhrgas, die Eon zur Übernahme fehlen. NICK REIMER
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