piwik no script img

Was bleibt?

Leser der französischen Tageszeitung „Libération“ antworten im Internet auf die Frage, welches Erbe der Soziologe hinterlässt

„Ehrlich, es wird nichts bleiben. Wind, Staub, kaum mehr, als diese Intellektuellen vom Mai 68, die uns glückliche Tage mit Mao versprochen haben.“

„Ah, auf Wiedersehen Pierre. Du hast unsere missglückten Studenten-Recherchen bis zur Licence eingelullt, bis wir begriffen hatten, dass deine Methode keinen Sinn hatte, dass dein Determinismus als würdiges Erbe von Durkheim und Mauss es uns nicht erlaubte, die soziale Dynamik zu begreifen und dass deine Soziologie der Herrschaft, obwohl sie verführerisch war, sich oft auf eine postmarxistischen Militanz beschränkte, der man aus moralischen Gründen anhing, mit der es jedoch schwierig war die mindeste Untersuchung durchzuführen, die dieses Namens würdig gewesen wäre.“

„Ich wusste nicht, dass Pierre Bourdieu krank war. Sein Verschwinden trifft mich tief. Er war ein wahrer Intellektueller, von denen es nur noch wenige gibt. Engagiert und ernsthaft. Ungeachtet derjenigen, die, Opfer seiner Attacken, sich mit ihm angelegt hatten, ist er zweifelsohne eine der interessantesten Persönlichkeiten unsere Periode. Ich hoffe, dass die Bewegung, deren Vorreiter er war, sein Verschwinden überleben wird: Wir brauchen mehr denn je Intellektuelle, die fähig sind, die beherrschende neoliberale Ideologie zu entlarven und zu bekämpfen.“

„Wenn man es von weitem betrachtet, so war Pierre Bourdieu ein großer Mann, der sich den großen Strukturen der Gesellschaft, der Erziehung und des Journalismus entgegenstellte. Näher betrachtet, ist er ein kleiner gerissener Junge, der innovative Strategien bastelt und auf Unterschiede hört, um diese zu verbinden. Mehr ein außergewöhnlicher Weber als ein Denker, dessen wir nicht mehr bedürfen. Der Kampf geht weiter, aber mit wem?“

„Bourdieu ist tot, es lebe Baudrillard.“

„Niemand zwingt das Collège de France, den Lehrstuhl einem neuen Professor anzuvertrauen, denn dieser Lehrstuhl war für Bourdieu selbst geschaffen worden. Er kann also mit ihm verschwinden … also bitte nicht Baudrillard.“

ÜBERSETZUNG: BO

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen