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Das Straßenbild

Die Reklamerezension.Heute: Berlin, Checkpoint Charlie

Der Mainstream holt sie alle. Die Zigarettenmarke West lebt es uns vor. Seit Jahren sind modern-dynamische Jungmenschen in der Republik unterwegs und locken auf Plakatwänden oder im Kino verirrte Randgruppen mithilfe kleiner Glimmstängel aus ihrer Barbiewelt zurück ins Hier und Jetzt. Nach buddhistischen Mönchen – einer wegen ihrer ausgelassenen Heiterkeit sehr beliebten Randgruppe –, prallbusigen Nikoläusinnen beim Schamponieren eines Vans und den Heiligen Drei Königinnen hat sich der Zigarettenkonzern jetzt eine besonders stark ins Abseits geratene Gruppe vorgenommen: die Katholiken.

Zielsicher hat das West-Expertenteam die letzte Reinform der Konfession ermittelt – jetzt lächelt ein verschämter rheinischer Karnevalsprinz von der Werbefläche. Daneben die unvermeidlich blonde Verführung samt Zigarettenschachtel. Oberflächlich scheint alles in schönster Ordnung, und einen Moment hofft man, Millionen von Dreigestirnen und Narren aller Länder möchten es dem Idyll gleichtun.

Der Fachmann der organisierten Fröhlichkeit bleibt jedoch etwas ratlos vor dem Bild stehen. Bei intensiver Betrachtung fällt auf: Dieser Prinz ist vielleicht in Richtung Westen unterwegs, aber seine Herkunftsstätte ist eher das Kasperltheater. Da passt es dann auch, dass man wie bei den Handpuppen den Unterleib nicht zu sehen kriegt. Entscheidet sich der Betrachter für die Kasperle-Interpretation, muss er sich allerdings fragen, ob die Blondine den Wolf oder die Großmutter mimt.

Karnevalistisch ist schon eher das Tanzmariechen um den närrischen Hals. Doch auch hier weiß der Fachmann, dass „et Marie“ doch besser auf den Schoß eines Jecken passt. Eine weitere Frage wäre die Zuordnung, eines der Hauptmerkmale des Katholizismus. Zwar achtet die Zigarettenwerbung, der Struktur ihrer Zielgruppe gemäß, genau darauf, dass sie mit dem Ranghöchsten der Zunft – also quasi mit dem Jesus des Karnevals (der Papst wäre mit dem Präsidenten vergleichbar) – werben, allerdings lässt sie ungeklärt, wessen Oberhaupt wir hier in seinem schwächsten Moment beobachten. Weder Kostüm noch Orden lassen erkennen, ob es sich um ein Mitglied der Ägidienberger „Klääv Botz“ oder doch einen Jecken der „Fidelen Fründe Postalia“ aus Königswinter handelt.

All diese Vorwürfe sind hart, aber sie sind noch nicht alles. Die Hauptfrage bleibt die Aussage. Ist die Tussi mit den Kippen jetzt eine Missionarin, die die Prinzenchimäre zur West-Religion ermuntern will, oder will sie ihr sagen, „du siehst zwar beschränkt aus, aber rauch doch eine, dann vergisst du den ganzen Mist hier“? JUDITH LUIG

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