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wowereit & striederDie Streithähne

Rot-Rot will das Universitätsklinikum in Steglitz schließen. Inzwischen steht der Senat von allen Seiten unter Beschuss. Auch die Kritiker in den eigenen Reihen nehmen zu. Dahinter stehen die unterschiedlichsten Interessen. Ein Orientierungsplan für das Kampfgelände. Von SABINE AM ORDE

Die beiden starken Männer in der Berliner SPD haben sich festgelegt: Ihr schlichtes, wenn auch schwieriges Konzept für die Hauptstadt heißt Sparen. Und weil dazu geklotzt und nicht gekleckert werden muss, wollen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und SPD-Chef Peter Strieder das Uniklinikum Benjamin Franklin dichtmachen. Von ein paar Demos will Wowereit sich dabei nicht Bangemachen lassen. Diesen Koalitionsbeschluss müsse man jetzt durchsetzen, betont er bei jeder Gelegenheit, „sonst passiert in dieser Stadt bald gar nichts mehr“. Alternativen zur Schließung? „Sehe ich nicht.“ Kein guter Ausgangspunkt für einen Kompromiss. FOTO: AP

pds-senator flierl

PDS-Wissenschaftssenator Thomas Flierl hat die Arschkarte gezogen. Er scheint von der rot-roten Entscheidung nicht wirklich überzeugt zu sein, aber wenn die Koalition dabei bleibt, muss er das Uniklinikum in Steglitz abwickeln. Kein schöner Anfang im neuen Job. Im Senat will sich jetzt Flierl dafür stark machen, nun doch noch Alternativen zur Schließung des UKBF zu prüfen, die von den Kliniken selbst, einer Expertenkommission oder Unternehmensberatungen kommen könnten. In den Koalitionsverhandlungen hat sich die PDS für eine Fusion der beiden Unikliniken der Stadt stark gemacht. Die könnte einen möglichen Kompromiss darstellen – wenn sich Wowereit erweichen lässt. Dann könnte Flierl, der sich bislang als Verteidiger des sozialistischen Städtebaus einen Namen gemacht hat, als Versöhner in die Berliner Geschichte eingehen. FOTO: ARCHIV

die morgenpost

Die Springerpresse hat wieder ein Ziel: „Rettet das Klinikum Benjamin Franklin“ und „Solidarität mit Benjamin Franklin“ – so und so ähnlich lauten seit Tagen die Überschriften der Berliner Morgenpost. Auf ihrer ersten Lokalseite hat das Blatt gar eine Unterschriftenliste des UKBF abgedruckt. 100.000 Unterschriften sollen am Klinikum und in der Zeitung inzwischen zusammengekommen sein. Die Morgenpost will mit ihrer Solidaritätskampagne allerdings nicht nur ihr Westberliner Klientel für das UKBF mobilisieren. Ganz offen bläst die Zeitung zum Kampf gegen Rot-Rot. Von Sozialisten regiert werden, das geht nun wirklich zu weit! Außerdem steht das Blatt seit dem Zusammenschluss mit der Welt hausintern mächtig unter Druck. Ein zweifelhafter Profilierungsversuch.

böger & benneter

Mit Schulsenator Klaus Böger und Innenexperte Klaus-Uwe Benneter sind zwei einflussreiche SPD-Politiker von der Koalitionslinie abgewichen und haben damit ihrem Regierenden die Rückendeckung versagt. Böger hat öffentlich bezweifelt, ob der vorgeschlagene Weg für das UKBF der richtige ist. Und Benneter hat sich auf dem SPD-Sonderparteitag für das Uniklinikum in Steglitz stark gemacht. Allerdings erst, nachdem er der Koalitionsvereinbarung und damit dem Aus für das UKBF zugestimmt hatte. Interessanterweise haben beide Herren ihren Wahlkreis in Steglitz-Zehlendorf, Benneter will von hier im September gar in den Bundestag einziehen. FOTOS: ARCHIV

die charité

Noch geben sie sich solidarisch, die Herren von der Humboldt-Universität und ihrem Traditionsklinikum. Schließlich geht es um den Wissenschaftsstandort Berlin! Doch eigentlich ist die Charité jetzt der klare Gewinner im langjährigen Kampf um die Ressourcen der Hochschulmedizin, wo gedealt, getrickst und blockiert wurde, was das Zeug hält. Allerdings hat die Charité mit Managertypen wie Verwaltungsdirektor Bernhard Motzkus auch die besseren Strippenzieher als das UKBF. Spätestens seit der Übertragung der Rudolf-Virchow-Klinik von der FU an die HU hat diese nicht nur das Klinikum mit dem traditionsreichsten Namen der Stadt, sondern auch das mit der modernsten Ausstattung. Für die Charité kann es nur schlimmer werden. Bleibt das UKBF, wird an der HU gespart.

der wissenschaftsrat

Der Wissenschaftsrat ist nicht irgendein Gremium. Es ist das Beratungsgremium des Bundes und der Länder in Sachen Hochschulen. Doch ob seine Meinung auch in diesem Fall zählt? Jedenfalls hat der Vorsitzende des Medizinausschusses, Dietrich Niethammer, Rot-Rot scharf kritisiert und den Spareffekt bezweifelt: Der „hervorragende Wissenschaftsstandort Berlin“ werde nachhaltig geschwächt, „ohne dass wesentlich zu den notwendigen Einsparungen beigetragen wird“. Dass das Aus das UKBF trifft, geht allerdings auch auf den Rat zurück. 1997 hatte er empfohlen, wenn Berlin seine beiden Kliniken nicht vernünftig finanzieren könne, solle es eines schließen – und zwar das UKBF. Das sei eindeutig das schlechtere. Dieses Urteil hat der Rat allerdings im vorigen Jahr revidiert. Jetzt steht er für den Senat zu Gesprächen bereit, will aber gefragt werden. FOTO: ARCHIV

der fu-präsident

Peter Gaehtgens sieht rot. Setzen SPD und PDS ihre Pläne um, verliert die Freie Universität (FU) nicht nur medizinische Fakultät und Klinikum, sondern auch ihren Rang als Volluniversität. Der Unipräsident, selbst Humanmediziner, befürchtet den Abstieg in die Zweitrangigkeit. Und damit den Anfang vom Ende der Freien Universität. Deshalb mobilisiert der Mann, dessen Studenten gemeinhin gegen ihn auf die Straße gehen, was das Zeug hält. Zu Alternativvorschlägen hat er sich noch nicht geäußert.

FOTO: JUNGEBLODT

westberlin

Armes Westberlin. Schillertheater weg, Ku’damm am Arsch und Zehlendorf kurz davor, sozialer Brennpunkt zu sein. Zehn Jahre lang hat man die Westberliner ausgepresst, hat ihr sauer verdientes Geld in den Osten geschaufelt, und das alles im Namen der Einheit. Ist das der Dank dafür, dass man vierzig Jahre lang die Freiheit verteidigt hat? Zu allem Überfluss regieren jetzt auch noch die Kommunisten im rot-roten Rathaus und haben bestimmt schon Rachepläne zum „Abbau West“ in ihren Schubladen. So sind sie, die Roten. Wo sie auftauchen, werden aus blühenden Landschaften sozialistische Brachen. Aber nun soll Schluss sein. Das UKBF gehört zu Westberlin wie Freiheitsglocke und Siegessäule. Wer an den Grundfesten Westberlins kratzt, soll es spüren: Der Westen schlägt zurück.

FOTO: G.A.F.F.

der ukbf-chef

Martin Paul, Dekan der Humanmedizin an der FU, ist immer dabei, wenn über das UKBF verhandelt wird. Die Zahlen – 4.100 Studierende, 500 Studienanfänger im vorigen Jahr, 51 Millionen Mark eingeworbene Drittmittel im Jahr 2000, 2.400 Arbeitsplätze, die am Unistatus der Klinik hängen – kann er vermutlich im Schlaf aufsagen. 1997 war ein schlechtes Jahr für ihn. Damals riet der Wissenschaftsrat dem Senat, wenn es nicht beide Unikliniken ausreichend finanzieren könne, das UKBF dichtzumachen, es sei eindeutig das schlechtere. Schnee von gestern. Inzwischen, heißt es jetzt aus dem Wissenschaftsrat, habe sich die Klinik durch eine gezielte Berufungspolitik zu einer im Bundesvergleich deutlich überdurchschnittlich leistungsfähigen Fakultät entwickelt, die mit der Charité mithalten kann.

FOTO: UKBF

brandenburg

Im Nachbarland stößt der rote-rote Beschluss zum Uniklinikum Steglitz auf Kritik – und zwar bis in die Reihen von SPD und PDS hinein. Denn mit Blick auf die beiden Berliner Einrichtungen hat Brandenburg nach der Wende auf den Bau eines eigenen Uniklinikums verzichtet. Die Hochschulmedizin sollte für beide Länder nur in Berlin betrieben werden, so steht es im Staatsvertrag. Im Potsdamer Wissenschaftsministerium wird jetzt überlegt, ob das UKBF auch durch finanzielle Zuschüsse Brandenburgs zu retten ist.

die biotechnologie

Einige Forschungseinrichtungen haben schon protestiert. Detlev Ganten, Chef des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin, fordert den Erhalt des UKBF, weil sonst das „Spitzenniveau der klinischen Forschung in Berlin“ geschwächt werde. Zudem sei sie unabdingbar für den Wirtschaftszweig der Biotechnologie, so Ganten. Die gilt immerhin als Zukunftstechnologie und hat sich am UKBF und in Buch angesiedelt, in der Region Berlin-Brandenburg gibt es laut Wissenschaftsrat über 150 solche Unternehmen. Dietrich Niethammer, Chef des Medizinausschusses des Rats, ist sich sicher: „Wenn das UKBF schließt, wandert ein Teil von denen nach Süddeutschland ab.“ FOTO: ARCHIV

das haushaltsloch

Berlin steht mit rund 40 Milliarden Euro steht in der Kreide. Mehr als versechsfacht hat sich der Schuldenberg in den Jahren der großen Koalition seit 1991. CDU und SPD haben sich an die ganz großen Brocken nie herangewagt: Unis, Opern, Unikliniken gibt es auch im zwölften Jahr nach der Wiedervereinigung doppelt und dreifach in Berlin. „Ohne erhebliche Konsolidierungsanstrengungen ist das Land finanzpolitisch nicht mehr handlungsfähig“, schreibt Rot-Rot in seinem Koalitionsvertrag. 2009 soll die Stadt so weit sein, ohne neue Kredite auszukommen. Zum rot-roten Sparpaket gehören auch die Pläne für das UKBF. Die Umwandlung in ein Versorgungskrankenhaus soll jährlich fast 100 Millionen Euro einsparen, zudem einmalige Sanierungskosten von etwa 100 bis 120 Millionen Euro.FOTO: OSSENBRINK

die studenten

Der AStA der Freien Universität hat es nicht leicht. Natürlich ist er gegen den Abbau von Studienplätzen an der FU und damit gegen die Schließung der medizinischen Fakultät. Aber mit FU-Präsident Peter Gaehtgens gemeinsame Sache machen? Schließlich ist Gaehtgens, der „in den vergangenen Jahren an einer massiven Kürzungspolitik zu Lasten der Geistes- und Sozialwissenschaften beteiligt war“, einer der Intimfeinde des AStA. Also lieber ein Fax versenden, als mit dem Präsidenten zur Demo aufzurufen. Tausende von Studenten gehen trotzdem hin. Die FU hat derzeit 4.100 Medizinstudenten, davon haben 500 erst im vergangenen Jahr begonnen. Nach den gesetzlichen Vorschriften sollen es nur 200 sein. Die will Rot-Rot an die HU verlagern. Wie, ist noch nicht bekannt. FOTO: LANGROCK

die gewerkschaften

Die Gewerkschaften, allen voran Ver.di, tun genau das, was man von ihnen gemeinhin erwartet: Hohe Forderungen anmelden. Alle Stellen, die von der Umwandlung der Uniklinik in ein normales Versorgungskrankenhaus bedroht sind, müssen erhalten bleiben, sagen sie. Das sind rund 2.400 Arbeitsplätze. Ver.di-Landesbezirksleiterin Susanne Stumpenhusen argumentiert außerdem mit weiteren Jobs, die an der wissenschaftlichen Forschung im Umfeld des Klinikums hängen – 4.500. Gestern konnte Ver.di in die Proteste vor dem Kanzleramt auch ihren Bundeschef Bsirske einspannen, der die Koalitionspläne „absolut kontraproduktiv“ nannte. Für Ver.di ist der Protest Teil der Gesamtstrategie gegen den rot-roten Sparkurs, wonach 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst eingespart werden sollen.

FOTO: AP

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