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Flucht vor Häuslichkeit

Tierschützerin fängt und füttert verwilderte Katzen in der Stadt um die zeugungswütigen Tiere kastrieren zu lassen  ■ Von Kaija Kutter

„Katzen sind sehr speziell“, sagt Wolfgang Poggendorf vom Hamburger Tierschutzverein. „Manchmal gefällt ihnen irgendwas nicht im häuslischen Bereich und dann kommen sie nicht zurück.“ Andere werden auch ausgesetzt, sind krank oder abgemagert. 30.000 wilde Katzen leben in Hamburg, hausen an Bahnanlagen, in Parks oder Fabrikanlagen. Die Journalistin Ute Jurkovics hat die Katzenfängerin Gudrun Mai porträtiert, die sich für den Tierschutzverein darum kümmert, das Elend zu lindern.

Vor allem die Zeugungsrate der haarigen Paare bietet Anlass zur Sorge. Poggendorf stellt gern die Quizfrage: wieviel Nachfahren kann ein nicht kastriertes Katzenpaar in 10 Jahren bekommen? Die Antwort lautet 32 Millionen. Dringlichste Aufgabe von „Katzenfängerin“ Mai ist deshalb, geschlechtsreife Katzen einzufangen und zur Kastration zu bringen. Der Eingriff verläuft unter Vollnarkose, anschließend haben die Tiere noch vier Tage Schonzeit, bevor es wieder in die Wildnis geht. Junge Kätzchen werden im Tierheim geimpft und weitervermittelt. „Eine total verwilderte Katze kann man nicht wieder resozialisieren“, weiß Poggendorf. Man kann nur ihre Vermehrung in Grenzen halten.

Mit ihrem Kombi voller Futterdosen und Fallen fährt die ehemalige Fabrikarbeiterin Mai täglich die Stellen ab, wo Menschen die wildlebenden Katzen versorgen. Manni an einem Schrottplatz im Hafen hat zum Beispiel 30 Katzen in seiner Obhut. In Betrieben wie Blohm und Voss, Mercedes oder bei der Bundeswehr werden die Tiere oft von der Belegschaft gefüttert. Die Bäuerin Marietta Sparr versorgt Katzen, die auf einem nahegelegenen Autobahnparkplatz ausgesetzt wurden. Kein billiges Vergnügen, da kann sie sich die Kosten für eine Kastration nicht auch noch leisten. Mit Braten oder feinem Futter lockt Gudrun Mai die Tiere in die Fallen, und bringt sie später zum Hof zurück.

Rund 900 Katzen fängt die 44jährige im Jahr. Zwei- bis dreihundert werden zusätzlich von so- gennaten „Katzentanten“ ins Tierheim gebracht, die sich um die Schützlinge in ihrer Straße kümmern. „Unser Ziel ist es alle Katzen zu kastrieren“, sagt Poggendorf. Dies sei auch zum Schutz der Tierwelt nötig. Katzen sind Beutetiere, sie jagen vom Aussterben bedrohte Hasen und Vogelarten.

Dass es so viele wilde Katzen gibt, führt Poggendorf auf einen veränderten Umgang mit Tieren zurück. „Vor 30 Jahren hat man schnell mal ein Junges ersäuft.“ Heute ist das grundlose Töten von Wirbeltieren strafbar.

Hinzu kommt, dass Katzen die beliebtesten Haustiere schlechthin sind: man kann sie allein lassen und sie kosten keine Steuer. So stehen rund 70.000 Hauskatzen 30.000 offiziell angemeldeten Hunden gegenüber.

Katzen in der Großstadt, NDR-Fernsehen, heute 21 Uhr 45.

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