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berliner szenenMauerpark im Winter

Sie werden trommeln

Guten Tag, Tristesse. Wer jetzt durch den Mauerpark geht, der bleibt allein. Oder jedenfalls fast. Auf der unsanft ansteigenden, schmutzig grünen Grasnarbe in Richtung Max-Schmeling-Halle kläffen zwei Boxerrüden. Die vereinsamten Liegestühle auf der Wiese glänzen feuchtkalt. Ebenso die Katzenköpfe des Straßenpflasters. Vom Eisverkäufer in seinem kleinen Kastenwagen keine Spur. Nur ein letzter Rest Schnee bildet einen kleinen Buckel, wo es in wärmeren Tagen wieder Gelato Italiano geben wird. Auf dem Asphalt in der Mitte des Parks spielt ein Streetworker mit zwei Weddinger Halbstarken Basketball. Das ist Street-Credibility. Für Park-Credibility muß man hier wohl bald nicht mehr sorgen. Das tun dann wieder die unzähligen Parkbesucher, sobald die Frostperiode vorbei ist. Dann werden sie wieder jeden Quadratzentimeter intensivst nutzen und diesem eigentlich gar nicht so parkähnlichen Streifen Niemandsland Glaubhaftigkeit aufdrücken. Sie werden trommeln. Sie werden picknicken. Sie werden die Mauer zum Stadion voll sprayen. Sie werden schaukeln und wippen, Fußball spielen, Frisbee und Boule. Oder einfach nur mittendurch gehen. Selbst Popliteratin Alexa Hennig von Lange pflegt ab und zu hier vorbeizuflanieren. Was nicht ohne Folgen geblieben ist. In einem ihrer Romane kommt irgendjemand in den Mauerpark, klettert über die Stadionmauer und bricht sich den Arm. In Wirklichkeit ist die Chance, sich hier schwer zu verletzen, nur noch relativ gering. Mittlerweile lohnt es sich auch kaum noch, einen Fluchttunnel in Richtung Wedding zu graben. Denn direkt neben dem Mauerpark lockt das gastronomische Angebot der Oderberger Straße – und das sogar im Winter.

ANSGAR WARNER

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