Nachgefragt
: Gewissensentscheidung

■ Was Bremer Bundestagsabgeordnete von Stammzellenimporten halten

Wenn heute der Bundestag zur Entscheidung über künftige Importe von embryonalen Stammzellen entscheiden wird, ist die Abstimmung freigegeben. Die Abgeordneten werden nach ihrem Gewissen entscheiden – das über die Parteigrenzen hinweg geht. Insgesamt liegen drei Anträge vor.

In der Auseinandersetzung geht es um widerstreitende Grundrechte: Um das Recht auf Leben und Menschenwürde einerseits, das die einen schon fürs Embryo geltend machen, das sich aus der Stammzelle entwickeln kann. Und um die Hoffnung auf Heilung durch moderne Forschung andererseits, die helfen könne, die Menschenwürde beispielsweise schwer erkrankter Personen zu schützen, so die Argumentation.

Gegen Import und Erforschung von Stammzellen spricht sich der weitestgehende „Nein“-Antrag aus. Er stellt fest, dass dem menschlichen Embryo von Anfang an Menschenwürde und damit uneingeschränkte Schutzwürdigkeit zusteht. Dieser Schutz gelte gleichermaßen für alle Embryonen, unabhängig von ihrer Herkunft. Zu dieser Gruppe, die gestern bei Redaktionsschluss als größter Block mit rund 250 Stimmen eingeschätzt wurde, zählen der Bremer SPD-Abgeordnete Konrad Kunick und die Grüne Marieluiese Beck. Beck bezeichnete sich selbst dabei als „ethische Moralistin“. „Aber es gibt Punkte, an denen man sich grundsätzlich entscheiden muss“, so die Grünen-Politikerin. Den weitergehenden Antrag, Import von Stammzellen unter strengen Auflagen zu erlauben, aber keine Stammzellengewinnung in Deutschland zu gestatten, bezeichnete sie als „Hangeln von einer Illusion zur nächsten“, die jede spätere Grenzziehung erschwere.

Zu diesem Kompromiss-Antrag neigen die Bremer SPD-Abgeordneten Ilse Janz und Volker Kröning. Dieser sprach zugleich von einem „ethisch kontrollierten Prozess“, der Wissenschaftsfreiheit gegen Menschenwürde abwäge. Indem man zulasse, mit vorhandenem importiertem Zellmaterial „aus dem kein Mensch mehr werden kann“, Forschung zu betreiben, ermögliche man auch, kranken Menschen zukünftig zu helfen. Die Gewinnung von Stammzellen in Deutschland, deren Wert darin besteht, dass sie zu unterschiedlichen Körperzellen he-ranreifen können, lehnen die beiden SPD-Leute ab. Intern wird erwartet, dass sich in der heutigen Debatte rund 150 Personen dieser Position zuordnen.

Eine weitergehende Haltung vertritt der CDU-Abgeordnete Bernd Neumann, der neben dem Stammzellenimport auch der Zellgewinnung in Deutschland zustimmen will. Diese Zellen, an denen Forschung möglich sein soll, stammen aus Eingriffen bei künstlichen Befruchtungen. Die Zellen könnten nicht zu menschlichem Leben heranreifen, weswegen auch die Menschenwürde nicht verletzt würde, so die Position des CDU-Mannes. Dieser Position wurden gestern Abend rund 110 Unterschriften zugerechnet. Deswegen wird Bundestags-intern erwartet, dass – nach einer langen Debatte – nicht gleich nach dem ersten Votum die erforderliche absolute Mehrheit für einen Antrag zustande komme. Damit würde es in einem zweiten Abstimmungsgang zu einer Stichwahl kommen, die die Mehrheiten neu gruppiert. Die größten Chancen würde den Berechnungen zufolge der Kompromissantrag haben, der eine Genehmigung von Stammzellenimporten unter strikten Auflagen gestattet, die Gewinnung von solchen Zellen in Deutschland aber nicht zulässt. ede