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Keine Atempause, Grütze wird gemacht

Legal, illegal, ist Til doch egal: Til Schweiger als Hausbesetzer in Gregor Schnitzlers aufwändig produzierter Klamotte „Was tun, wenn’s brennt“

Schön und heimelig waren sie, die Haubesetzerzeiten. Abends ein Plenum mit dem Tagesordnungspunkt „Kochdienst“, danach der obligate Gruppensex, samstags die lustige Straßenschlacht mit den Bullen und Sonntagmorgen bekifft den Dachboden ausbauen. Und heute? Alles futsch. Weg sind sie, die Träume vom gemeinsamen Leben. Spießer sind wir geworden, sitzen auf Sofas von Höffner, handeln mit Aktien oder arbeiten regelmäßig in einem Büro und lassen uns von der Sekretärin Kaffee kochen.

Verrat schreien da auch schon welche, vor allem die, die damals schon wussten, dass wir über kurz oder lang alle im einstmals bekämpften „System“ ankommen würden. Ihr habt eure Ideale verraten! Jetzt gibt es endlich einen Film, der die Hausbesetzerzeit der Achtziger aus der heutigen Perspektive ins rechte Licht rückt. Oder es zumindest versucht. Oder so tut, als würde er es versuchen. Til Schweiger ist Tim und nicht das einzige Problem dieses Films. Tim hat vor dreizehn Jahren mit Freunden eine Bombe in einer Villa im Grunewald gelegt. Die geht durch die Unvorsichtigkeit einer Maklerin in die Luft. Kurze Zeit später ermittelt schon Klaus Löwitsch als knallharter Bulle Manowsky. Durch die Durchsuchung des ehemals besetzten Hauses in der „Machno“ – das dem Berliner nicht ganz unwichtige „w“ haben die Ausstatter leider vergessen – gerät er an alte Super-8-Bänder, auf denen die „Gruppe 36“ (oje!) sich selbst bei der Arbeit an dem Sprengsatz filmt. Wie dumm die Hausbesetzer doch waren!

Unterlegt werden diese Szenen mit vermeintlich historischen Straßenschlachtbildern, die natürlich nicht historisch sind. Dass wir damals Fehlfarben auf Demos vom Lautsprecherwagen gehört haben, stimmt, nur haben die wohl nicht die Genehmigung gegeben, ihren dialektischen Song „Ein Jahr (Es geht voran)“ für diesen Film zu verwenden. Also hört es der Zuschauer als aufgepeppte Coverversion von Ex-Selig Jan Plewka. Scheinbar hatten die Macher des Films um Regisseur Gregor Schnitzler den Film „Sonnenallee“ als Vorbild.

Was bei der Komödie am Grenzübergang funktionierte, die Überhöhung der absurden DDR-BRD-Realität zum Musical, geht bei „Was tun, wenn’s brennt“ in die Binsen. Da kann Schweiger noch so laut „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ brüllen – die Story ist absurd und völlig unrealistisch, das aber leider aus Versehen. Die Hausbesetzungen der Achtziger und die der Neunziger in Ostberlin sind noch zu sehr in Erinnerung und werden jetzt zwangsläufig zum modischen Revolteding. Zu Pop gehört auch die muntere Geschichtsklitterung. Da haben Hausbesetzer eben auch Bomben gebastelt und nicht die RZ. Die aber sind noch nicht hip genug zur Verfilmung, obwohl deren Anschlag auf die Siegessäule wirklich filmreif war.

Zurück zum Plot. Die Truppe um Tim und Hotte (der als allerletzter „Aufrechter“ hausbesetzersozialkitschig ausgerechnet im Rollstuhl in der Machno sitzt), ein Werber, ein Jurist, eine Mutter von zwei Kindern sowie eine höhere Tochter, versucht die belastenden Super-8-Filme aus der Asservatenkammer der Bullen zu klauen. Die residieren in Nebengebäuden des Flughafens Tempelhof, wo die Story dann auch noch an technischen Unwahrscheinlichkeiten krepiert. Was nicht am mangelnden Aufwand liegt. Die Produktion hat mit vollen Händen Fördergelder aus Bayern, Berlin-Brandenburg und Baden-Württemberg und Knete von Columbia TriStar rausgehauen. Immerhin hat die verantwortliche Clausen&Wöbke-Crew Kassenerfolge vorzuweisen: „Anatomie“ und „Crazy“.

Das Geld für „Was tun, wenn’s brennt“ hat sogar noch für eine Filmpremierenparty im Berliner Columbia gereicht, bei der Feinkost Käfer blutig rote Grütze und Currywurst vor abgewrackten Bullenwannen servierte. Wer weiß, vielleicht ist dieser Film genau das Richtige für geschädigte WG-Kinder. ANDREAS VAHR

„Was tun, wenn’s brennt“. Regie: Gregor Schitzler. Mit Til Schweiger, Martin Feifel, Nadja Uhl u. a. Deutschland 2001, 102 Minuten

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