Debatte: Warum diese Eile?
■ Das Bahnhofsgrundstück geht an Zech .... und das hinterlässt einige Fragen
Jeder spürt es, der Senat hat beim Bahnhofsplatz eine Entscheidung getroffen die er nicht erklären kann – oder darf. Und es ist offensichtlich, dass der Senat zur Zeit nicht mehr Herr des Verfahrens ist. Wäre er es, könnte er seine Entscheidung begründen. Er tut es aber nicht und kann deshalb die Verdächtigungen nicht mehr abschütteln.
Der Lieblingssatz der BIG lautet: Wir dürfen das Grundstück am Bahnhof freihändig und ohne Wettbewerb vergeben. Aber erstens mehren sich die Stimmen, die das rechtlich bezweifeln, und zweitens bleiben die entscheidende Fragen: Warum jetzt? Warum an Zech? Was hindert den Senat, die beiden potenziellen Investoren gegen einander antreten zu lassen, um Preis und Qualität zu mehren und jeden Verdacht zu zerstreuen, hier ginge es um Freundschaftsdienste?
Erst kürzlich hatte das Management von Tschibo erklärt, es wolle nicht für die Stadt die städtebaulichen Entscheidungen treffen, und man stünde daher nicht mehr als Mieter für die Immobilie zur Verfügung. In der Öffentlichkeit war man deshalb davon ausgegangen, dass nunmehr die Voraussetzungen günstig seien, ein transparentes und faires Verfahren für die Auswahl der Investoren und Konzepte zu entwickeln.
Dies war auch die Botschaft der BIG auf der letzten Beiratssitzung. Ob das Ahnungslosigkeit war, oder ob man versucht hat, öffentliche demokratische Gremien nach Strich und Faden zu desinformieren – das gehört sich nicht. Wir vermuten Parlament und Deputation geht es unterm Strich nicht besser.
Apropos Zech. Zech ist mit den Bauvorhaben des Sanierungsprogramms groß geworden. Keine andere Firma repräsentiert mit ihren Projekten auffälliger das neue Bremen. Gerade deshalb ist der Korruptionsverdacht ja so verheerend. Aber auch ohne die Unterstellung irgendwelcher krimineller Praktiken: Die schlichte Tatsache, dass die Verwaltungsspitzen mit Zech immer über mehrere Projekte gleichzeitig in Verhandlung ist, schafft unvermeidlich offizielle und inoffizielle Kopplungsgeschäfte. Anders geht das nur, in dem man den Wettbewerb stärkt.
Diese Gelegenheit will der Senat nicht nutzen. Warum? Zwei bis drei Erklärungsversuche drängen sich auf. Erstens: Angenommen die BIG hatte das Grundstück Zech / Grosse schon vor langer Zeit fest versprochen. Das wäre dann eine rechtswidrige Vorabbindung der Stadt.
Zweitens: Bei Tschibo tobt in der Eigentümer Familie ein Kampf um unterschiedliche Firmenstrategien. Nehmen wir an, die Standortentscheidung für Bremen ist zwischen die Fronten geraten. Mag sein, dass Hattig und Scherf versuchen, mit einer selbstherrlichen Geste die Bremischen Interessen in diesem Kampf zu stärken.
Oder hat es im Senat einfach eine städtebauliche Debatte gegeben, und man war begeistert von dem Entwurf von Bothe/ Richter/Teherani? Und entschließt sich deshalb für diese Lösung?
Wie es auch immer gewesen sein mag, zwei Versuche, das Grundstück am Bahnhof auszuschreiben, sind gescheitert, der dritte Versuch, die Sache freihändig zu erledigen, droht mit beachtlichen Kollateralschäden einherzugehen.
Ulrike Hiller , Sprecherin des Beirats Mitte, Robert Bücking, Ortsamtsleiter
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