: Griechische Regierung leistet UN-Tribunal Amtshilfe
Kurz vor Prozessbeginn legt Athen die Bankkonten der Familie Milošević offen. Unterlagen könnten auch einen zypriotischen Politiker belasten
BERLIN taz ■ Die griechische Regierung hat sich bereit erklärt, dem Internationalen Strafgerichtshof (ICTY) für das frühere Jugoslawien Bankunterlagen auszuliefern, die eine Rekonstruktion der Wirtschaftsvergehen des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević ermöglichen sollen. Die Forderung von Carla Del Ponte, Hauptanklägerin des ICTY, auf Überstellung der einschlägigen Unterlagen wird erfüllt, nachdem ein Gericht der Aufhebung des Bankgeheimnisses zugestimmt hat. Wie Regierungssprecher Christos Protopapas mitteilte, wurden die Dokumente gestern an das Gericht in Den Haag geliefert, wo in wenigen Tagen die Hauptverhandlung gegen Milošević eröffnet wird.
Das griechische Material könnte helfen, den Anklagepunkt zu erhärten, der Milošević vorwirft, riesige Geldmengen unterschlagen und auf Auslandskonten geschafft zu haben. Die griechische Milošević-Connection wird auf etwa 250 Konten bei fünf Banken vermutet, zu denen die beiden halbstaatlichen Banken Emporiki (Handelsbank) und Laiki (Volksbank) gehören.
Einem Bericht der Athener Zeitung To Vima zufolge liegt die gerichtliche Freigabe der Bankunterlagen schon seit November 2001 vor. Carla Del Ponte hatte die griechischen Behörden am 13. August 2001 ersucht, die Voraussetzungen für die Aufdeckung der Geldbewegungen zu schaffen, die über Konten von Scheinfirmen und anonymen natürlichen Personen gelaufen sind. Dass die Unterlagen erst wenige Tage vor Eröffnung des Prozesses zugestellt werden, lässt auf eine nicht sehr begeisterte Mitarbeit der griechischen Stellen schließen. Regierungssprecher Papapetrou betonte jedoch, die griechische Seite habe von Anfang an ihre Bereitschaft zu enger Zusammenarbeit zugesichert. Doch es bedurfte erst massiven Drucks aus Den Haag, bevor die Staatsanwaltschaft in Athen den Antrag auf Freigabe der Unterlagen bei einem Gericht stellte.
Nach Informationen der Athener Tageszeitung Elevtherotypia verweisen die Athener Unterlagen auf eine brisante Spur nach Zypern. Die meisten der jugoslawischen Firmen, über deren Konto die gesuchten Gelder liefen, waren im Off-shore-Sektor der Inselrepublik registriert. Und die meisten dieser Firmen waren Klienten bei einer Anwaltskanzlei, die dem griechisch-zyriotischen Politiker Tassos Papadopoulos gehört. Der Vorsitzende der Demokratischen Partei (Diko) gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Präsident Glavkos Klerides. Sollten sich die Informationen über eine Rolle als Geldwäscher der Firma Milošević bestätigen, wären die Wahlchancen von Papadopoulos bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2003 auf ein Minimum gesunken.
NIELS KADRITZKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen