: „Besser als jede Werbekampagne“
■ Der städtische Oberbaudirektor Jörn Walter über die Olympia-Pläne des Senats und die Zukunft der Hafencity: Er glaubt, dass die Stadt „mit der Bewerbung nur gewinnen kann“
Der Senat will dem Internationalen Olympischen Kommitee Spiele im Herzen Hamburgs anbieten. Ihr Zentrum wäre die geplante Hafencity vor der Speicherstadt. Oberbaudirektor Jörn Walter ist in der Olympia-Arbeitsgruppe des Senats für die Fragen der Stadtentwicklung zuständig.
taz hamburg: Herr Walter, der alte Senat hat großen Aufwand bei der Erstellung des Masterplanes für die Hafencity betrieben. Sind diese Pläne mit der Olympia-Bewerbung Makulatur?
Jörn Walter: Das kann man ganz klar mit Nein beantworten. Hamburg gehört zu den wenigen Städten, die für die Olympiade schon einen Mas-terplan haben. Wir haben einen Beschluss, dass wir rund um den Baakenhafen Wohnungen und Büros bauen wollen. Bei einer gewissen Verdichtung und Anpassung kann daraus das Olympische Dorf und das Medienzentrum werden. Neu hinzugekommen ist der Sprung auf das gegenüberliegende Ufer. Dort sind Flächen, die man sehr gut erschließen könnte und die für die Hafencity ein imposantes Gegenüber bilden würden.
Zu dem Masterplan gehörte auch ein sehr weiter Zeithorizont. Bis 2025 etwa sollte die Hafencity fertiggebaut werden. Hamburg bewirbt sich für 2012. Es müsste also doppelt so schnell gebaut werden, mit der Folge, dass der Immobilienmarkt mit Wohnungen und Büros überschwemmt würde, sobald die Spiele zu Ende wären, und dass auch der Planungsprozess vollkommen anders aussehen müsste.
Das ist richtig. Wenn Hamburg wirklich die Olympiade bekäme, dann ist ganz klar, dass wir in 2012 die Hafencity bebaut hätten. Ich sehe durchaus, dass wir eine gewisse Zeit brauchen, um 7000 Wohnungen auf den Markt zu bringen. Andererseits bin ich aber ganz sicher, dass dieser Standort für den Markt sehr viel interessanter würde, wenn hier die Olympischen Spiele stattfänden.
Die amtliche Schätzung geht aber davon aus, dass Hamburgs Bevölkerung bis 2015 um 40.000 bis 80.000 Einwohner schrumpfen wird.
Die neue Koalition hat sich eindeutig vorgenommen, dem entgegenzuwirken. Hamburg hatte selbst in den schlechtesten Jahren des Wohnungsbaus nach 1945 eine jährliche Bauleistung von etwa 3500 Wohnungen. Wir werden nach wie vor ein Wachstum der Quadratmeterzahl pro Person haben. Wir werden bis 2012 eine weitere Ausdifferenzierung im Wohnungsbestand haben und nicht mehr zeitgemäße Wohnungen zusammenlegen, abreißen und durch neue ersetzen müssen. Auch das erzeugt Bedarf. Für mich ist das kein Thema, an dem dieser Standort scheitern würde.
Wie sieht es denn beim Planungsprozess aus? Der ehemalige Stadt-entwicklungssenator Willfried Maier (GAL) hatte ja vorgehabt, Baulose auf mehrere Investoren aufzuteilen, um eine möglichst große Vielfalt von Bautypen zu erzeugen und eintönige Investoren-Architektur zu vermeiden. Glauben Sie, das ist weiterhin möglich?
Ich sehe da tatsächlich ein neues Marktsegment. Wir brauchen eine gewisse Mischung und Vielfalt und werden das in den ersten von Olympia unabhängigen Bauabschnitten weiter verfolgen. Im Hinblick auf die Olympiade ist das unproblematisch, weil sich alles im westlichen Teil der Hafencity abspielt.
Im östlichen Teil müsste man Wohnungen bauen, die in ein Olympisches Dorf passen und das wird sicherlich dazu führen, dass es schwieriger wird, ganz kleinteilig vorzugehen, auch weil man in einem überschaubaren Zeitraum fertig sein muss. Das müsste man für die Olympia-Chance in Kauf nehmen.
Die Menschen, die dort untergebracht werden sollen, die Besucher, Medienleute und Funktionäre, müssen alle in das Olympia-Zentrum Hafencity transportiert werden. Wie gedenkt der Senat dieses Problem zu lösen? Den Bau einer Stadtbahn hat er ja ausdrücklich abgelehnt.
Der Besucherverkehr wird mit Sicherheit hauptsächlich über das bestehende U- und S-Bahn-Netz abgewickelt werden. Das wird der Hauptträger mit etwa bis 80 Prozent der zusätzlichen Bedarfe. Dazu ist Hamburg im Vergleich zu anderen Städten gut geeignet, weil es für jede Linie, insbesondere der U-Bahn, eine eigene Strecke hat, so dass es sehr einfach ist, durch Frequenzerhöhung deutlich mehr Menschen zu befördern als heute, ohne bauen zu müssen.
Bei der S-Bahn ist klar, dass wir eine Station ausbauen und eine neu bauen müssten. Das ist die schon immer im Rahmen der Hafencity-Planung angedachte Station Zweibrü-cken. Dort bräuchten wir eine leis-tungsfähige S-Bahnstation. Ähnlich müssten wir die Station Veddel ausbauen. Damit würden wir den Großteil des Besucherverkehrs bewältigen. Der Rest muss durch ein Verkehrsmittel abgedeckt werden, das zugleich die Hafencity erschließt.
Die U- und die S-Bahn sind dafür ja nicht so ohne weiteres geeignet – zumindest war das die Position der Baubehörde noch Anfang vergangenen Jahres.
Das wird jetzt neu untersucht. Ich denke, dass wir im April/ Mai eine Grundorientierung darüber haben müssen, ob wir eine Hochbahn, eine Magnetbahn oder aber unterirdische Lösungen wählen. Das wäre unabhängig davon notwendig, ob Olympia kommt oder nicht, weil die Hafencity mit einem leistungsfähigen Verkehrsmittel erschlossen werden muss.
Das heißt, es müsste ein schienengebundenes Verkehrsmittel sein, nicht etwa ein Metrobus.
Das wird auch nochmal untersucht. Ich persönlich glaube nicht, dass wir in einem Stadtgebiet in dieser Lage und mit den ambitionierten Zielen – Hamburg nämlich als Metropole auch international neu zu positionieren – mit Metrobussen weiterkommen. Zumindest im Endausbau müssen wir ein leistungsfähiges, das heißt schienengebundenes Verkehrsmittel haben, um die Hafencity attraktiv zu machen. Dabei ist für mich klar, dass wir im Falle Olympias auch eine Verbindung auf das andere Elbufer benötigen.
Was passiert mit Ihren Plänen, wenn aus dem Olympia-Traum nichts wird?
Bis zu dem Zeitpunkt 2005, zu dem die abschließende Entscheidung fällt, können wir überhaupt nichts falsch machen. Denn wir wollen die Hafencity sowieso bauen. Wir realisieren jetzt den westlichen Teil, der von der Olympia-Planung nicht berührt wird. Das Gebiet um den Baakenhafen herum wollten wir sowieso erst später entwickeln und dafür wir machen jetzt eine Alternativplanung. Die wird etwas dichter sein als das, was wir im Masterplan angedacht haben. Wenn Hamburg die Olympiade nicht bekommt würden wir eben den Masterplan weiterverfolgen.
Ich glaube, dass wir mit der Bewerbung nur gewinnen können. Denn die Städte, die sich beworben haben, werden national und international ins Gespräch kommen. Das ist besser als jede normale Werbekampagne, weil wir eine echte städtebauliche Zukunftsvison verfolgen.
Fehlinvestitionen könnte es aber gerade dann geben, wenn Hamburg sich bei der Bewerbung durchsetzt. Dann braucht die Stadt viele neue Sportstätten, und es stellt sich ja schon bei den laufenden Projekten wie der Arena die Frage: Kann man sie auslasten?
Die wichtigsten Investitionen, die Hamburg tätigen müsste, wären das Stadion, die Halle und das Schwimmbad. Bei diesen drei Objekten muss man sich sehr genau Gedanken machen über die Nachnutzung. In olympischen Subzentren ist das kein Problem: Wir haben bereits hervorragende Orte für viele Sportarten, etwa für das Reiten und das Tennis.
Die 80.000 Plätze des Olympiastadions könnte man auf 20- bis 30.000 zurückbauen und hätte dann ein für Hamburg passendes Leichtathletik-Stadion. Ein solches Stadion für einen nichtsportlichen Zweck mitzunutzen, muss geprüft werden.
Die Halle ist ein ganz besonderes Thema. Ich glaube nicht daran, dass Hamburg dauerhaft zwei Hallen in der Größenordnung bewirtschaften kann. Möglicherweise kann man sie soweit umbauen, dass sie auf andere Weise rentabel genutzt werden kann. Daran arbeiten wir zurzeit.
Beim Schwimmbad finde ich es lohnenswert zu untersuchen, ob man es zu einem Freizeitbad für die Region umbauen könnte. Ich halte das nicht für aussichtslos, weil die Lage an der Elbe mit der gesamten Kulisse Hamburgs im Hintergrund schon etwas sehr Besonderes ist.
Außerdem sehe ich natürlich grundlegende Szenarien im Kontext der langfristigen Stadtentwicklung: So ein Park könnte zusammen mit der Internationalen Gartenbau-Ausstellung (IGA) der Impulsgeber sein für die neue, internationale, sportliche, junge Stadt Wilhelmsburg.
Die Wilhelmsburger würden natürlich einwenden: Das nützt uns alles wenig, wenn die Hafenquerspange gebaut wird und den Stadtteil erst recht von der City abschneidet.
Wir brauchen für die Olympiade eine leistungsfähige Infrastruktur und insoweit auch die Hafenquerspange. Man müsste aber nocheinmal genauer über die Frage reden, wie man die Hafenquerspange verträglich für Wilhelmsburg baut und zwar so, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Zäsur wird – und da kann ich mir das eine oder andere vorstellen.
Das heißt, es könnte einen Tunnel geben?
Ich lasse das offen. Es ist ein schwieriges Bauprojekt. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir da im Zweifelsfalle eine Lösung finden würden. Es kommt nicht nur auf die Frage „ob“, sondern auch auf das „wie“ an.
Fragen: Gernot Knödler
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