Angestrengte Souveränität

Unter dem neuen Trainer Falko Götz kann die Hertha endlich wieder gewinnen. Ein ansehnliches Spiel bekamen die Berliner beim 2:0 gegen den VfB Stuttgart zwar wieder nicht zustande. Dennoch loben sich Manager, Trainer und Spieler gegenseitig

von MARKUS VÖLKER

Trainerwechsel machen ja durchaus Sinn. Egal, wer da Neues kommt. Die Hackordnung der Mannschaft kommt ein wenig durcheinander. Und allein die Angst davor, die angestammte Position im Team zu verlieren, setzt verloren gegangene Kräfte frei. Die Trainingsleistung steigt urplötzlich, weil sich die Kicker, bislang gedankenleer gegen die Pille tretend, nun mit der bangen Frage beschäftigen, ob sie, die das Vertrauen des alten Trainers (Jürgen Röber) genossen, am Spieltag die Schlappen schnüren oder aber ihren Kragen auf der Tribüne richten.

Veränderungen gehören also zu den ersten, zwingend notwendigen Amsthandlungen eines neuen Übungsleiters. Auch Falko Götz hat sich daran gehalten. „Wenn ich Veränderungen vornehmen will, muss ich was ändern“, hatte ihm Manager Dieter Hoeneß mit auf den Weg gegeben.

Götz, bis zur Ankunft von Huub Stevens in Berlin auf dem Posten des Chefcoachs, beließ es im Spiel gegen den VfB Stuttgart freilich beim taktischen 4-3-3-System Röbers. Gabor Kiraly durfte aber wieder ins Tor. Auch Stürmer Alex Alves lief von Anfang an im Olympiastadion vor 25.300 Zuschauern auf. Mittelfeldmann Rob Maas allerdings blickte finster von den Rängen aufs Geschehen da drunten herab.

Marcelinho, und das war die entscheidende Umstellung, wurde von Götz aus dem Sturm ins offensive Mittelfeld bestellt, weil er dort das Spiel besser gestalten könne. Tatsächlich fühlte sich der Brasilianer an exponierter Stelle pudelwohl, schoss zwei Tore (15., 36.) und verlor seine Beschwingtheit nur nach seiner Auswechslung in Minute 85, als er Götzens Dankesgeste ausschlug. Doch auch in dieser Szene verflog der Ärger in Windeseile, denn was Marcelinho zunächst als Demütigung empfand, war „zur Belohnung gedacht“, so Götz. „Die Jungs kennen mich einfach noch nicht“, deutete er den kleinen Zwischenfall mit Herthas besten Toresammler (8 Treffer).

Zum Amtsantritt erschien Götz schick im schwarzen Anzug und weißen Hemd. Assistent Andreas Thom trat hingegen im Trainingsanzug aus den Katakomben. Götz war angestrengt bemüht, die Souveränität eines Erstligatrainers auszustrahlen, verständlich, liebäugelte der 39-jährige Jugendkoordinator Herthas doch schon länger mit einer Berufung in höhere Sphären des Fußballgeschäfts.

„Ich kann nicht verhehlen, dass mir das heute Spaß gemacht hat“, sagte er und benutzte dann auffallend viele Vokabeln, die auch schon sein Vorgänger Röber im Mund führte. „Wir haben dem Publikum gezeigt, dass wir Kämpfer sind“, sagte er. Und: Dass es am Samstag nur darum gegangen sei, drei Punkte zu holen, egal wie. Die Serie von „vier nicht erfolgreichen Spielen“ hätte halt reißen müssen. Denn „das schafft die Basis, sich Selbstvertrauen zu holen und dann wieder besser Fußball zu spielen“.

Ein ansehnliches Spiel bekamen die Herthaner gegen den VfB Stuttgart wieder nicht zustande, trotzdem wollte Götz danach weismachen, er habe „eine ganze andere Hertha gesehen“. Davon konnte überhaupt keine Rede sein.

Die Zuschauer, mittlerweile an böses Gewürge und dröge Kicks gewöhnt, hatten ein Déjà-vu nach dem anderen. Michael Preetz stolperte wie gewohnt. Der Spielfluss mäanderte zäh übers Feld. Für Ruhe auf den Rängen sorgten allenfalls die zwei Treffer, die einer Standardsituation (Freistoß aus 22 Metern) und einem glücklichen Abpraller (Hartmann) entsprangen.

„Dass nicht die spielerische Klasse da war, das weiß auch der Falko“, sagte Hoeneß und zeigte sich mit dem Interimstrainer zufrieden. „Ich hatte ein sehr sicheres Gefühl.“ Wohl auch deshalb, weil ihn Götz brav über seine Vorhaben unterrichtete, sämtliche Umstellungen apportierte, und Hoeneß Götz darob mit Ratschlägen zur Seite stand, wie zur Pressekonferenz auch Vereinssprecher Felder, der die ganze Zeit neben ihm hocken blieb. „Ich habe ihm aber nicht in die Aufstellung reingeredet“, stellte Herthas starker Mann klar, „das würde ich nie machen.“

Im Stadion wurde viel und breit pro Röber plakatiert. Man dankte dem Demissionierten. Er selbst hatte sich mit einem rührseligen Abschiedsbrief in Bild („Im Herzen werde ich immer Berliner bleiben“) in den Urlaub verabschiedet. Nur ein kleines Laken forderte indessen Hoeneß’ Abgang, Drahtzieher in der Röber-Personalie.

Wesentlich forscher war da der Vorstoß einer Berliner Boulevardzeitung, die das Gerücht streute, zusammen mit Trainer Stevens komme zum Saisonende Schalke-Manager Rudi Assauer im Doppelpack gleich mit nach Berlin und löse Hoeneß ab. Das Blatt wollte schon den Qualm einer „Davidoff Grand Cru No. 3“ in der Hauptstadt erschnüffelt haben, Assauers Lieblingszigarre.

Allenfalls vom Nebel der Lobhudelei umwölkt, bilanzierte Hoeneß Götzens ersten Auftritt. Was soll nicht alles besser geworden sein. In Schlagworten: Risikofreude, Frechheit, Lockerheit, Spritzigkeit. Auch werde das Mittelfeld endlich schneller überbrückt.

Die Spieler standen der Positivschau des Managers kaum nach. Torschütze Marcelinho positionierte sich an vorderster Front: „Mit ihm ist die Stimmung besser geworden, er hat uns neuen Mut gegeben. Und er hat uns gesagt: Immer nach vorne gehen! Das finde ich gut.“ Marcelinho war freilich noch im Erfolgstaumel seines Doppeltreffers. Die anderen trieb wohl vor allem die Sorge um ihren Stammplatz zur Lobrede an.