piwik no script img

Schill nimmt Rechte auf

Die Schill-Partei nimmt in Berlin auch frühere Mitglieder des als rechtsextremistisch eingestuften „Bundes Freier Bürger“ auf. Dessen Exchef Heiner Kappel traf sich mit Anke Soltkahn von der Gründungskommission für den Schill-Landesverband

von STEFAN ALBERTI und FELIX LEE

Die Schill-Partei nimmt in Berlin Mitglieder auf, die früher dem „Bund Freier Bürger“ (BFB) angehörten. Diese inzwischen aufgelöste Partei ordnete der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz 1999 als rechtsextremistisch ein. Der Berliner Landesverband der Schill-Partei befindet sich zur Zeit in Gründung.

Die Vorsitzende einer siebenköpfigen Aufbaukommission, Anke Soltkahn, bestätigte der taz, dass unter den bisher aufgenommenen Mitgliedern ehemalige Parteigänger des BFB sind: „Da treffen wir Einzelfallentscheidungen: Wenn einer in jungen Jahren dort Mitglied geworden ist, kann man ihm das nicht ein ganzes Leben lang vorhalten.“

Bis zur Wahl in Hamburg, bei der die Partei des Populisten Ronald Schill aus dem Stand mit 19,4 Prozent einen beachtlichen Wahlerfolg erzielte, verbaten die Statuten der Schill-Partei einen Eintritt von Ex-BFBlern ebenso wie von ehemaligen DVUlern und „Republikanern“. Nach der Hamburg-Wahl, im September 2001, kam es hier zu einem Kurswechsel. Nun akzeptiert die Schill-Partei zumindest ehemalige Mitglieder des Bundes Freier Bürger.

Aber nicht nur die von Soltkahn ausgenommenen „BFB-Mitglieder in jungen Jahren“, sondern auch führende Funktionäre des BFB stehen in Kontakt mit der Schill-Partei. Dazu gehört sogar der frühere Generalsekretär und Chef des BFB, Heiner Kappel. Der 62-Jährige, bis Ende 1997 für die FDP im hessischen Landtag, ist inzwischen Vorsitzender der nach eigenen Angaben knapp 1.000 Mitglieder zählenden Deutschen Partei (DP). Dort sind gut ein Drittel der früher über 2.000 BFBler untergekommen.

Im Programm der Deutschen Partei werden die östlichen Bundesländer als „Mitteldeutschland“ bezeichnet. Zudem wenden Kappel und seine Anhänger sich gegen eine multikulturelle Gesellschaft.

Als Bundesvorsitzender der DP habe er der Schill-Partei „Zuarbeit und Zusammenarbeit“ angeboten, sagte Kappel zur taz: „Wir werden uns nicht dort engagieren, wo Schill antreten will.“ Die Schill-Partei soll ihm als Reaktion die Mitgliedschaft angeboten haben, er aber werde bei der DP bleiben. Schill-Bundesvorstandsmitglied Katrin Freund hat das Beitrittsangebot auf Nachfrage der taz nicht bestritten.

Kappel ist auch für Soltkahn kein Unbekannter. Im Spätherbst trafen sie sich in kleinem Kreise in einem Berliner Privathaus. Laut Kappel hatte die Runde ein Schill-Mittelsmann organisiert. „Wir haben uns über unsere politischen Vorstellungen unterhalten und wie man sie am besten umsetzen kann“, erinnert sich Kappel an das Gespräch mit Soltkahn bei diesem Treffen. Über Soltkahn sagt er: „Ich denke, wir haben politisch viel gemeinsam.“ Soltkahn selbst gibt an, vor dem Treffen – „da waren auch honorige Personen aus der CDU“ – nicht gewusst zu haben, dass auch der Ex-BFB-Chef teilnehme, und ordnet das ganze als Zufallsbegegnung ein.

Bis zur Berliner Wahl im Oktober saß Soltkahn noch für ihre alte Partei CDU im Abgeordnetenhaus. Ihr Engagement bei der Schill-Partei erklärt sie mit „Unzufriedenheit über die Gesamtsitiation der Berliner CDU“. Sie sei weder gesucht noch abgeworben worden, sondern von sich aus mit anderen auf Schill zugegangen.

Auch Christian Friedrich Eigler (62), Wirtschaftsprüfer und früher CDU-Kreistagsabgeordneter in Gießen, ist Mitglied in der Berliner Gründungskommision. Er klagte wie Soltkahn gegen die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses im Sommer. In der Kommission sitzt auch Claas Weseloh (32), ein Lehramtsanwärter, der im vergangenen Jahr noch Peter Kurth als CDU-Direktkandidaten in Grunewald verhindern wollte und gegen den früheren Finanzsenator antrat.

Weseloh, der wie Eigler 1999 auf der CDU-Liste für die Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf kandidierte, sieht sich wegen der Law-and-order-Politik bei Schill zu Hause: „Das Thema Innere Sicherheit ist auch bei der CDU nur saisonal besetzt.“

Ehemalige Parteifreunde ordnen die drei in die Gruppe um den früheren örtlichen konservativen Parteichef Ekkehart Wruck ein, der mit Bibelzitaten für sich warb. Aus dem liberaleren Flügel der CDU klingt es so, als sei man über ihren Austritt nicht gerade traurig.

Weder Geld noch die Zusage auf ein Bundestagsmandat soll die Arbeit der Aufbaukommissare kompensieren – reinen Idealismus gibt Soltkahn als Grund an. Mit der oft stark vereinfachenden Schill-Argumentation kann sie leben: „Wenn man etwas nicht pointiert und ein Stück weit übertreibt, dann wirkt es nicht.“ Dass Schill als Innensenator in Hamburg seinen Versprechen bislang nicht nachkam, aus angekündigten 2.000 zusätzlichen Polizisten nur 280 wurden, oder dass statt Kampf gegen Filz sein Bausenator einer Freundin einen Posten besorgt, betrachtet Soltkahn dann doch etwas differenzierter: Schill habe ja noch dreidreiviertel Jahre Zeit.

Aus ihrer früheren Partei ist wenig Gutes über Soltkahn zu hören: An intellektuell hoch stehende Beiträge von ihr könne er sich kaum erinnern, sagt einer aus dem CDU-Fraktionsvorstand: „Das hat sich zwischen Hausfrau- und Stammtischniveau bewegt. Dass sie jetzt bei Schill ist, überrascht mich nicht.“

Schill will am 27. April entscheiden, ob die Partei bei der Bundestagswahl antritt. Wann der Landesverband – für dessen Gründung 500 Mitglieder notwendig sind, tatsächlich steht, mag Soltkahn nicht abschätzen. Vielleicht kann sie es auch nicht. Aus der Schill-Zentrale sagt Freund, man steuere die Arbeit vor allem von Hamburg aus. „Die Kommission in Berlin hilft dabei.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen