: „Kokainnachweis nicht sicher“
Innensenator Schill lässt sein Haar testen – er will nicht als Kokser gelten. Nachweisbar ist aber nur „häufigerer“ Konsum, sagt der Berliner Toxikologe Benno Rießelmann
taz: Herr Rießelmann, der umstrittene Hamburger Innensenator Ronald Schill hat sich am Montag für einen Kokaintest Haare entnehmen lassen, um Vorwürfe zu entkräften, er sei Drogenkonsument. Wie hoch ist die Beweiskraft eines solchen Tests?
Benno Rießelmann: Fremdstoffe wie Drogen oder Betäubungsmittel werden über die Blutbahn transportiert, lagern sich in den Haarwurzeln ab und wachsen mit den Haaren aus. Nachweisbar sind solche Substanzen aber nur bei häufigerem Konsum.
Wie oft ist häufig?
Mit häufigerem Konsum meine ich Drogenmissbrauch, der mindestens ein- bis zweimal pro Woche stattfindet.
Herr Schill müsste also jede Woche gekokst haben, um positiv getestet zu werden?
Sporadischer Konsum lässt sich nicht zwingend nachweisen. Außerdem ist das Ergebnis abhängig von der Haarlänge: Haare wachsen pro Monat durchschnittlich einen Zentimeter. Da der Drogenkonsum im September stattgefunden haben soll, müsste Herr Schill also mindestens fünf Zentimeter lange Haare haben, um positiv getestet werden zu können.
Herr Schill beteuert, er sei bereit, das Ergebnis auch durch eine DNA-Analyse untermauern zu lassen, falls nach dem Test noch Zweifel bestehen …
… mit einer DNA-Analyse kann nur geklärt werden, ob die untersuchten Haarproben tatsächlich von der zu testenden Person stammen. So lässt sich nachweisen, dass die Proben nicht vertauscht wurden. Über einen eventuellen Drogenkonsum sagt eine DNA-Analyse nichts.
Weist ein solcher Test jeglichen Drogenkonsum nach oder beschränkt er sich auf einzelne Substanzen?
Das hängt vom Auftrag ab. Im Regelfall beschränkt man sich aber schon aus Kostengründen auf eine zu untersuchende Substanzgruppe. Die chemische Untersuchung ist leider hochkompliziert.
Im Fall des ebenfalls unter Kokainverdacht stehenden ehemaligen Fußballbundestrainers Christoph Daum häufen sich Irritationen über Gegengutachten, die weitaus geringere Kokskonzentrationen ergeben haben als der erste Test. Ist das Testverfahren überhaupt seriös?
Den Fall Daum kann ich konkret nicht bewerten. Seriöserweise wird eine Probe aber in verschiedene Portionen aufgeteilt, damit später nachgetestet werden kann. Eine später entnommene Probe gilt dagegen als nicht vergleichbar.
Und Hamburgs Innensenator Schill hat selbstverständlich ein seriöses Institut gewählt …
… Das hat er in der Tat. Das Rechtsmedizinische Institut der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität gilt als sehr renommiert. Hans Sachs, der die Untersuchung leitet, ist sogar Vizepräsident der „International Society of hair testing“.
INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA
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