: Ende der Kritiklosigkeit
Im US-Kongress, aber auch international beginnt der Anti-Terror-Konsens mit der Regierung Bush aufzubrechen
BERLIN taz ■ Zwei Wochen nach Präsident George W. Bushs Rede zur Lage der Nation geht der überparteiliche Anti-Terror-Konsens im US-Kongress langsam zu Ende. Im Mittelpunkt der Kritik steht Bushs Formulierung von der „Achse des Bösen“, bestehend aus Irak, Iran und Nordkorea, die es zu bekämpfen gelte. Zuerst war es der demokratische Senator Russell Feingold, der in einem Artikel für die konservative Washington Times anmahnte, die Regierung solle sich gefälligst beim Verkünden neuer Kriegsziele an die Verfassung und die geltenden Beschlüsse des Kongresses halten. Am Montag setzte dann der Mehrheitsführer im Senat, Tom Daschle, nach. Das Gerede von der „Achse des Bösen“ sei ein Fehler gewesen, sagte Daschle: „Es ist wichtig, dass wir uns jedes dieser Länder und die davon ausgehende Bedrohung genau ansehen“, sagte Daschle, „aber ich denke, wir müssen mit solcher Rhetorik sehr vorsichtig sein. Wir sehen jetzt schon, wie die moderaten Kräfte im Iran auf Distanz zu uns gehen.“ Auch habe die Regierung bisher keinerlei handfeste Anhaltspunkte für die Vorwürfe gegen die drei Länder vorgetragen.
Die Kritik der beiden demokratischen Senatoren markiert den Versuch der Demokraten, angesichts der anhaltenden Popularität des Präsidenten im Wahljahr wieder in die Initiative zu kommen. Im Herbst werden alle Abgeordneten und ein Drittel der Senatoren neu gewählt – und die Demokraten, die jetzt mit knapper Mehrheit den Senat kontrollieren, hoffen auf einen Mehrheitswechsel auch im Repräsentantenhaus.
Auch aus Europa wird die Kritik an der Rhetorik des US-Präsidenten stärker. In der Welt sagte Außenminister Joschka Fischer gestern, es bringe keine Fortschritte im Kampf gegen den Terrorismus, „den Iran, Nordkorea und den Irak in einen Topf zu werfen“, und es werde auch nicht gut gehen, „ohne zwingenden Beweise etwas einzuleiten, das zu einsamem Handeln führt“.
Bush reagierte auf die Vorwürfe der Demokraten sofort. Er bleibe bei seiner Formulierung von der „Achse des Bösen“, ließ Regierungssprecher Ari Fleischer verlauten. Die internationale Koalition aber sei keine feste Größe: „Unterschiedliche Koalitionen werden sich aus unterschiedlichen Nationen zu unterschiedlichen Zwecken bilden“, sagte Fleischer. Deutlicher kann man nicht mehr formulieren, dass die Meinung der Verbündeten nur solange zählt, wie sie sich von derjenigen der US-Regierung nicht unterscheidet.
BERND PICKERT
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